Armenverhältnisse Mitte des 19. Jahrhunderts
Auszüge aus alten Akten (MER C 50 Naumburg A Nr. 434)
1.) Der Schicksal der Zwingenbergerin und der Rammen
An den Wohlgeb. Herrn Landrath Lepsius in Naumburg
Johanna Zwingenberg aus Kösen gebürtig und seit mehreren Jahren in Diensten des vormahligen hiesigen Professors der Mathematik, Schmidt, dermahlen auch noch bey dessen hinterlaßener Wittwe, ließ schon vor einiger Zeit Spuren eines exaltirten Gemüthszustandes wahrnehmen, woran Stolz und Liebe die Ursache zu seyn scheinen.
Die nähern ärztlichen Erörterungen hierüber sind das Geschäft des hiesigen Schul-Arztes und Amts-Physikus welcher auch nach der mit ihm genommenen Verabredung sein Gutachten** hierüber an E. Wohlgeb. einreichen wird.
Uns liegt in polizeilicher und disciplinarischer Hinsicht daran, daß diese Person, welche mit Feuer und Licht zu schaffen hat und bey ihren Dienstverrichtungen im Schulhaus aus und eingeht, baldigst von hier entfernt wird.
Um aber mit möglichster, solchen Verwirrten schuldigen Schonung zu Werke zu gehen, habe ich, der Commissions-Rath mit dem Richter Hämmerling in Kösen mich besprochen und selbigen veranlaßt, vorläufig darauf Bedacht zu nehmen, daß sie in ihrem Geburtsorte bey ihren daselbigen Verwandten bis zur Eröffnung anderweiter Vorkehrungen oder auf andere thunliche Weise untergebracht und beobachtet werde.
Nach der vom genannten Richter über die mit der Gemeinde dieserhalb gepflogene Berathung eingereichten, hier beyfolgenden Anzeige*, soll in dem ohnehin übervölkerten Kösen keine Familie und kein Raum zu ihre Unterbringen vorhanden seyn.
Solchernach bliebe kein anderer Ausweg übrig, als daß diese Johanna Zwingenberg in eine für dergleichen Personen eingerichtete öffentliche Versorgungs-Anstalt gebracht werde,
Die hierunter zu treffende Einleitung stellen wir E. Wohllöbl. Landräthlichen Officii ergebenst anheim.
Pforta am 14ten November 1820
Dr. Ilgen Herbst
*Anzeige
Wohlborener Herr, Hochverehrter Herr Commissions-Rath
Heute den 11ten November 1820 ward auf Veranlassung des Herrn Commissions-Rath Herbst zu Pforte, da die in Kösen geborene Hanna Zwingenbergin seit geraumer Zeit in Diensten bey dem Herrn Mathematicus Schmidt zu Pforte gewesen, für jetzt aber in einen gestörten Gemüthszustand gerathen, die Commune zusammen berufen worden, um den Wunsch des Herrn Commissonsrath Herbst zu Folge, die vorerwähnte Hanna Zwingenbergerin einstweilen bey einer Familie unteruzubringen und zu versorgen, bis für dieselbe eine ihren Umständen gemäße Versorgung zu bewürken wäre.
Da nun bekanntermaßen der Ort Kösen mit einer Menschenzahl angefüllt ist, welche die Wohnungen sehr beengt und selten macht, auch von den Familien sich niemand gefunden, sich mit einer Sinnesverwirrung behafteten Person zu befangen, so machen wir Ew. Wohlgeb. hiermit, mit dem Erfolge gehorsamst bekannt.
Die Gemeinde
**Gutachten
Hochwohlgeb. Herrn Landrath Lepsius
Ew. Hochwohlgeb. erachte ich für Schuldigkeit anzuzeigen, daß die bei der verwittweten Frau Professor Schmidt im Dienst stehende Person Johanna Friederike Dorothea Zwingenbergin, aus Kösen gebürtig, in eine derartige Verstandesverirrung gerathen ist, welche nach meinem Erachten nach den mir gemachten Erzählungen von ihrer Herrschaft und andern Personen, die sie zu beobachten Gelegenheit haben, mir selbst gesteht sie weiter keine Rede als „es fehlt mir nichts und ich brauche sie nicht“ Stolz und Furor uterinus (Anm. Hysterie od. Nymphomanie) zum Grunde zu liegen scheinen. Um nun allen den möglichen unangenehmen Folgen, die daraus entstehen können und zu fürchten sind, vorzubeugen, dürfte es höchst nöthig werden, daß selbige in eine sichere Verwahrung gebracht wird.
Pforte den 13ten Nov. 1820
Der Schularzt und Amts-Physikus D. Uhlich
An den Richter Herrn Hämmerling in Kösen
Die Gemeinde Kösen hat zwar dem Commissions-Rath Herbst zu Pforte infolge der zwischen demselben und Ihnen über die in Pforte in Diensten befindliche aus Kösen gebürtige in einer Verstandesverwirrung gerathene Johanna Zwingenbergin gepflogenen Besprechung zu erkennen gegeben, daß bei der Ueberbevölkerung des Orts Kösen und da sich auch keine Familie gefunden, welche die Zwingenbergerin bey sich aufzunehmen geneigt seyn, zu ihrer Unterbringung daselbst keine vorhanden wäre.
Ich muß Ihnen jedoch bemerklich machen, daß bis wegen der Zwingenbergerin Unterbringung in einer öffentlichen Irrenanstalt die weiteren Einleitungen getroffen und eine Genehmigung erfolgt seyn wird, die Commune Kösen sich nicht entbrechen kann, für deren Unterbringung und Pflege Sorge zu tragen, und ich erwarte daher unverzüglich die Erklärung Ihrer Gemeinde in welchen Maaße dieser Verbindlichkeit genügt werden soll, indem ich außerdem nicht umhin kann, der p. Zwingenbergerin ein Unterkommen und erforderliche Pflege in hiesiger Stadt jedoch auf Kosten der Commune Kösen, zu verschaffen.
Naumburg d. 15. Nov. 1820 Der Königl. Landrath
An den Herrn Consistorial-Rath D. Ilgen und den Herrn Commissions-Rath Herbst zu Pforta
Auf Ew. pp in betrefff der in eine Verstandesverwirrung gerathenen Johanna Zwingenbergin in Kösen an mich erlassenes Communicat vom 14. d. M. habe ich zwar vorläufig der Gemeinde Kösen bemerkliche gemacht, daß sie, bis zu deren Unterbringung in einer öffentl. Anstalt die hohe Genehmigung ertheilt seyn würde, sich nicht entbrechen kann, für deren Unterbringung und Pflege Sorge zu tragen, daher deren Erklärung, wie dieser Verpflichtung geneigt werden soll, erfordert und derselben angedient, außerdem auf ihr Kosten der p. Zwingenbergerin in hiesiger Staddt das erforderliche Unterkommen und Pflege verschaffen werde, auch werde ich die weitere Einleitungen treffen, um selbige wo möglich in einer öffentlichen Versorgungsanstalt unterzubringen; Unterdessen muß ich E. p. doch ergebenst ersuchen, solange bis hierunter die nöthige Anordnung zur Entfernung der Zwingenbergerin aus Pforta getroffen seyn werden, dafür zu sorgen, daß von ihr irgend eine Gefahr nicht zu befürchten, sie auch bis dahin die erforderlich Pflege erhalte
Naumburg, den 15ten Nov. 1820 Der Königl. Landrath
An den Königl. Preuß. Landrath Herrn Lepsius
Ew. Wohlgeb. Vortragen zu erfüllen, soll ich die Behandlungsart der irren Zwingenbergerin bestimmen, daß ich in ihrer gegenwärtigen Lage als Arzt nichts mit ihr anfangen kann, bin ich völlig überzeugt. Die veranlaßende Ursache ihrer Krankheit ist, wie ich schon bemerkt habe, Stolz und Feuer welches auch ihr ganzens Benehmen nur zu deutlich beweist. Sie glaubt …. auch eine gnädige Frau zu werden, weshalb sie auch fast den ganzen Tag, ohne sonst etwas zu thun, auf ihren Anputz verwendet.
Nach meinem Dafürhalten dürfte wohl Arbeit die beste Arzney für sie seyn, der sie sich wohl aber freiwillig nicht leicht unterziehen wird. Würde man sie aber gewaltsam dazu anhalten, so ist auch zu fürchten. daß - indem sie nun ihre Pläne schwinden sieht - ihre Narrheit in Raserey ausbrechen kann. Daher möchte es wohl der beste Ausweg seyn, sie einstweilen entweder in eine Familie oder auch in eine Hospital unter Aufsicht und gute Behandlung zu bringen
Pforta, den 18. November 1820
Der Amts-Physikus D. Uhlich
An den Herrn Landrath
Auf Ew. Wohlgeb. ertheilte Verfügung vom 15. d. M. habe ich Endes genannter die Commune wegen Unterbringung der Johanna Zwingenbergin, um uns darüber zu berahten, zusammen berufen, so wurde denn von der Commune der Vorschlag gemacht, da in unserm Armenhause eine Stelle erledigt, auch dasselbe von lauter Weibspersonen bewohnt wird, wohl der schicklichste Ort für dieselbe seyn.
Was die Versorgung betrifft, soll von der Commune gesorgt werden, biß dieselbe in einer Irren-Anstalt gebracht werden würde, mithin würde dasurch nach der Commune Meynung für ihr einstweiliges Unterkommen gesorgt seyn.
Welches wir zur gehorsamsten Befolgung Denselben hiermit davon benachrichtigen wollen
Kösen, den 21. Nov. 1820 Hämmerling
Dienstanweisung
Hern Hämmerling durch Aushändigung dieses Decrets angewiesen, wegen Abführung der Zwingenbergerin nach Kösen mit Herrn Commissions Rath Herbst und deren zeitherige Dienstherrschaft sich zu vernehmen, deren Aufnahme vorzubereiten, zugleich aber auch solche Veranstaltungen zu treffen, daß sie gehörig aufhältiget, neben dem aber verhütet wird, daß ihre Manie durch solche Behandlung nicht einen noch größeren Grad an Wahnsinn gereicht, welches vorzüglich dann zu befürchten, wenn sie mit ihrer Narrheit geneckt und ihre törichte Einbildungen genährt werden sollte.
Naumburg, 22 Nov. 1820 Der Königl. Landrath
An den Herrn Land-Rath Lepsius
Ew. Wohlbgeb. melde ich andurch ganz ergebenst und unverzüglich, daß die in Manie verfallene Zwingenbergerin, nach dem ich selbige zu Anfange nächstvergangenenr Woche mit aller Schonung und Vorsicht im Kutschwagen nach Kösen habe transportieren und an den Richter Hämmerling übergeben lassen, heute zum größten Schrecken ihrer vorigen Dienstherrschaft, der Frau Professorin Schmidt wieder zurückgekehrt ist. Um diese altehrwürdige Wittwe von ihrer Unruhe darüber zu befreyen, habe ich selbige sofort wiederum ebenfalls zu Wagen nach Kösen abführen und an den Richter Hämmerling übergeben lassen, mit der Bedeutung dafür zu sorgen, daß sie in sicherer Obacht gehalten werde und ich dem Wohllöbl. Landräthl. Officio hierüber sofort Anzeige erstatte. Ich bewerkstellige solches andurch und überlaße die hierunter zu treffenden Maaßregeln Dero Ermessen
Pforta 4ten Dezember 1820 Comm.-Rath Herbst
Dienstanweisung
Der Richter Herr Hämmerling wird angewiesen, Veranstaltungen zu treffen, daß die Zwingenbergerin unter gehörige Aufsicht gestellt, nothdürftig verpflegt, dabey aber auf angemessene Weise beschäftigt wird,
Sie ist zu belehren, daß wenn sie sich nicht ruhig und ordentlich verhalten und sich einrichten würde, daß sie ihren Lebensunterhalt durch Arbeit, so weit ihre Kräfte reichen, gewinnt, sie in eine öffentliches Arbeitshaus gebracht und mit Zwang zur Arbeit angehalten werden würde. Arbeit ist für Narrheit, wie die der Zwingenbergerin, das beste Heilmittel.
Bei Rückgabe diese Decrets wird uns Herr Hämmerling anzeigen welche Maaßregeln ihretwegen getroffen sind und wie es mit ihr geht.
Naumburg 6ten Dezember 1820 Der Königl. Landrath
E. Wohlgeb. dem Königl. Preuß. Landrath H. Lepsius
Auf die von E. Wohlgeb. vom 5. d. M. erlaßene Verfügung wegen des Fortgangs der in Manie befindenden Zwingenbergerin von Kösen nach Pforta, zu ihrer seit 8 Jahren gewesenen Dienstherrschaft, der Hr. Professor Schmidt daselbst, kann und muß ich E Wohlgeb. nach Pflicht und Gewissen antworten, daß wir
1.) der in Frage stehende Zwingenbergerin ein Logie bei dem Wagner-Meister Hädicke gemiethet haben
2.) derselben eine gute und bestimmte Aufseherin bei ihr Tag und Nacht zur Aufsicht und Pflege halten.
3.) Hat die Zwingenbergerin weder durch gute Worte, ernstliche Vorstellungen auch durch Drohungen sich durchaus zu keiner Art von Beschäftigung verstehen wollen, vielmehr ist ihre Antwort: Sie brauche dieses nicht, sie könne ja nur zu ihrer Dienstherrschaft gehen;
und eben war
4.) eine solche ernstliche Vorstellung, warum sie der Aufseherin entwischt und nach Pforta zu Fr. Prof. Schmidt gelaufen war.
Überhaupt liegt der Grund zu der unglücklichen Lage der Zwingenbergerin in der allzu nachsichtigen und nachgiebigen Handlung der Fr. Prof. Schmidt gegen dieselbe (welches theils in ihren Charakter, theils auch in ihren hohen Alter beruhen mag), denn dass sich in Pforta ihre Krankheit ausgebildet, beweisen nur zu sehr ihre Handlungen und Ausbrüche derselben.
Daher uns diese Person, wenn ihr Aufenthalt daselbst von längerer Dauer seyn sollte sehr drückend werden dürfte, denn Logis, Holz, Licht, Speise und Getränke und Aufwartung Tag und Nacht zu unterhalten, übersteigt unsere Kräfte.
Von Pforte aus wurden uns die freundschaftlichsten und auf Unterstützung beruhenden Zusicherungen gemacht, da sie aber die unglückliche Zwingenbergerin aus Pforta los sind, so scheint man auch von den gemachten Zusicherungen nichts mehr wißen zu wollen.
Umso mehr fühlen wir uns nothgedrungen E. Hochwohlgeb. gehorsamst um Verwendung anzuflehen
Mit der größten Hochachtung gehorsamst Hämmerling Richter
Kösen. den 9. 12. 1820
Daß Johanna Friederike Zwingenbergerin 30 Jahre alt, aus Kösen gebürtig schon als sie noch im Dienst des verstorbenen Mathematic-Professors Schmidt allhier war, sich durch ihr ganzes Benehmen, besonders durch ihren Ausputz und Aeußerungen, daß sie noch eine gnädige Frau werden würde, als eine Närrin betragen hat und von allen, die nur mit ihr in eine Berührung kamen, dafür verachtet wurde, ist eine schon ganz bekannte Sache.
Als Arzt kann ich ihr in ihrem dermaligen Zustande keine Hülfe leisten, indem sie nur bestimmt erklärt hat: es fehle ihr nichts und sie nähme auch keine Arzney. Nach meinem Erachten liegt ihrem ganzen Krankheitszustande Narrheit, Stolz und furor aterinus, zum Grunde und dies Krankheit kann nach meinem Dafürhalten, wohl nicht füglich anders, als in einem Versorgungs-Hause, durch tägliche Arbeit, unter gehöriger Aufsicht, geheilt werden.
Auf Verlangen der Gemeinde zu Kösen habe ich Vorstehendes nebst meinen Gutachten der Wahrheit gemäß hiermit zu bescheinigen nicht ermangeln wollen
Pforta den 11. Febr. 1821 D. Rudolph Hanß Uhlich, Schularzt und Physicus
An den Wohlgeb. Königl. Landrath Lepsius zu Naumburg
Gehorsamste Anzeige
E. Wohlgeb. in zwey die Commune Kösen betreffenden traurigen Angelegenheiten finden wir uns nothgedrungen gehorsamst zum Vortrag bitten zu dürfen, als auch die gewiße Hoffnung hegend, zuverläßig durch E. Wohlgeb. kräftigen Beistand unser Elend gemildert zu sehen.
Johanna Friederike Zwingenbergerin, 30 Jahre alt, von Kösen gebürtig, hat sei 8 Jahren in Pforta bei Herrn Mathematik-Professor Schmidt gedienet, wo sie nach den ärtzlichen beiliegenden Zeugnisse des Herrn D. Uhlich zu Pforta in eine Manie verfallen, wo denn Kösen als derselben Geburtsort in Anspruch sie aufzunehmen, genommen wurde, welches auch von der Commune gethan und erfüllet worden.
Dabei wurde von Seiten der Pforte, da die Zwingenbergerin eine vater- und mutterlose Waise, und ganz arm ist, die Hoffnung gemacht, theils durch eine Collecte, theils durch andere Beiträge, die Kranke und die Commune zu unterstützen, aber leider ist es nur, dass dieselbe seit dem 27. November v. Jahres in Kösen von den geistl. Herrn Inspector John 3 Thaler, von dem Sohne des H. Professor Schmidt 8 Thaler, 13 Groschen, 8 Pfennige als eigenen Lohn, Summa 11 Thaler, 21 Groschen, 6 Pfennige zur Verwendung an uns gekommen, wo ihr zuvörderst Logie, Heizung, Licht, Verpflegung und eine Wächterin Tag und Nacht auf Veranlassung gehalten wurde.
Wir sahen uns aus Mangel an fernerer Unterstützung genöthigt, die möglichste Einschränkung zu ergreifen, die Kranke in unser Armenhause zu bringen, wo sie nun würklich anfängt eine drückende Last der Commune zu werden.
Weswegen wir Endes genannten E. Wohlgeb. gehorsamst zu bitten, uns genöthigt finden, bei Demselben um eine Versorgung der elenden und armen Zwingenbergerin zu verwenden.
Ist die in Kösen wohnende des Schneiders Friedrich Ramme, seine Frau in einen heftigen melancholischen Zustand, wo würklich, wenn nicht die kräftigsten Maaßregeln ergriffen werden, das größte Unglück zu erwarten ist. 1.) daß sie ihr eigenes Kind aus überspannter Liebe mordet, 2.) ist zu befürchten, daß sie sich Leides thut und 3.) daß sie alle Menschen für Teufel hält, in der Raserei den Ort mit Feuer zu großen Unglück bringen kann, wo sich die Nachbarn und mehrere Bewohner des Ortes, wegen bevorstehender Gefahr bey uns beschwert haben, so finden wir uns genöthigt bey E. Wohlgeb. solches gehorsamst anzuzeigen.
Kösen, den 13. Febr. 1821
Salomon Hämmerling, Richter Gottlieb Bechmann, Schöppe
An die Gerichtspersonen zu Kösen
Sie haben mir über den gemüthskranken Zustand, worin sowohl Johanna Friederike Zwingenbergerin als auch die verehelichte Rammen ihres Ortes sich befinden, unter dem gestrigen Tage Anzeige gemacht, und ausdrücklich bei erstern um meine Verwendung zu ihrer Aufnahme in einer Versorgungs-Anstalt rücksichtlich der letztern aber um Verhaltensmaaßregeln gebeten.
Bevor ich jedoch hierin Ihren und den Wünschen der Gemeinde willfahren kann, ist noch erforderlich, daß
1.) wegen der in dem dortigen Armenhause einstweilen untergebrachten Zwingenbergerin mir überhaupt angezeigt werde, welchen Raum dieses Hauß gewährt, wie viel Arme darin gegenwärtig wohnen und welche Einrichtungen überhaupt von Ihnen getroffen wurden, um die geisteskranke Zwingenbergerin unter gehöriger Aufsicht zu halten, demnächst wünsche ich
2.) wegen des Schneidermeisters Rammes Ehefrau unterrichtet zu sein, ob von Seiten des erstern gehörige Vorkehrungen getroffen worden, um Unglück durch sein wahnsinniges Eheweib zu vermeiden und welche, ingleichen was in dieser Rücksicht von Ihnen selbst vorläufig verfügt worden.
Darüber, sowohl, als was überhaupt in betreff beider Personen noch unumgänglich nöthig zu verfügen, und nach den Verhältnissen ausführbar ist, um die wahnsinnigen Personen in jeder Beziehung unschädlich zu machen, erwarte ich umgesäumt Ihre ausführliche Anzeige.
Naumburg, den 14. Febr. 1821 Der Kgl. Landrath Lepsius
E. Wohlgeb. dem Königl. Preuß. Landrath Lepsius zu Naumburg
Auf erhaltenes Schreiben vom 14. Febr. d. M. wegen der Zwingenbergerin und Rammen ist Folgendes zu beantworten:
1.) befinden sich in unserm Armenhaus zwey kleine Stübchen, wo jede 4 Ellen breit, 6 Ellen lang (Anm. 2,7 x 5,4 m) ist, in der, wo sich die Zwingenbergerin befindet, sind 4 Personen, in der andern 5 Personen, diese können nicht alle in solchen kleinen Stübchen schlafen, sondern müßen einige darum bey strengster Winter-Kälte unter den Ziegeln schlafen, wo öfters viel Uneinigkeit entsteht, und wir sehr oft überlaufen werden; erstlich wurde die Zwingenbergerin, wie in vielen Anzeigen gesagt, mit eigner Logie, Heizung Kost und einer Wärterin besorgt, indem wir glaubten, daß durch gute Behandlung sich die Krankheit ändern solle, aber leider ist es schlimmer geworden. Bey versammelter Gemeinde trugen wir vor, wie es weiter mit der Kranken werden sollte, so wurde von der Gemeinde beschloßen, sie in das Armenhaus zu thun und E. Wohlgeb. gehorsamste Anzeige zu machen, das mit eingenommenen Geld so lange es dauert, zu unterstützen, sollte sich die Krankheit nicht ändern und wir keine Hülfe bekämen, sie ihren eigenen Schicksale zu überlassen, indem so eine arme Gemeinde, das Armenhaus aus eigenen Mitteln hat erbauen müßen und auch die immerwährende Armencassa entrichten muß, so glauben wir, daß E. Wohlgeb. uns die drückende Last der elenden Personen entnehmen werde.
Die verehelichte Rammin befindet sich noch in voriger angezeigten Lage, der Mann versichert, daß er nicht im Stande sey, Aufsicht in der Zukunft auf seine Frau zu haben, indem er als Mützenmacher die Märckte bezieht und öfters in 8-10 Tagen nicht nach Hause kommt, und seine Verdienste nicht hinreichend sind, sie unter Aufsicht zu bringen, so bittet derselbe, die Nothdurft seiner traurigen Lage E. Wohlgeb. mündlich vorzustellen und uns Desselben Einschätzung mitzutheilen
Kösen, den 22ten Febr. 1821 Hämmerling, Richter, Bechmann Schöppe
Dem Herrn D. Uhlig zu Pforta zur gefälligen Einsicht im Original mit dem Ersuchen:
Ueber den Zustand beider, von Ihm ärztlich behandelter Kranken, ein ausreichendes Gutachten zu ertheilen, um höhere Behörde in dem Stand zu setzen, auf das Gesuch der Interessenten um diese Personen um Aufnahmen in ein Irrenhaus, mit definitiver Resolution darauf gründen zu können
Naumburg 23. Febr. 1821 Der Königl. Landrath Lepsius
An E. Wohllöbl. Landräthl.Officium in Naumburg
E. Wohllöbl. Landräthl. Officio habe ich bereits schon unterm 18. November a. p. über den dermaligen Gesundheitszustand der Zwingenbergerin in Kösen meine Anzeige mit Gutachten eingereicht und unter dem 11. Febr. c.a. ein Gutachten an die Gemeinde übergeben. Weil ich nun über gedachter Zwingenbergerin Befinden und Gemüthszustand, etwas weiter zu bemerken, nicht vorfinde, so beziehe ich mich auf das schon darüber gesagte.
Des in Kösen wohnhaften Schneiders Ramm Eheweib habe ich schon vor einigen Monaten besucht, um sowohl ihre körperliche Umstände als auch ihren Gemüthszustand zu untersuchen. Sie gab mir aber auf alle meine Fragen weiter keine Antwort: als es fehle ihr nichts und es könnte ihr auch kein Arzt helfen. Den 25ten Febr. habe ich sie abermals besucht, aber nicht zu Hause gefunden. Ihre Schwägerin, die ich zu Haue traf, suchte sie im ganzen Orte, kam aber zurück, ohne sie gefunden zu haben. Gedachte Schwägerin sagte mir, daß die Ramm sich körperlich ganz wohl befände, sie könnte essen und trinken, wie ein gesunder Mensch, sähe wohl aus, unterzöge sich aber im häußlichen nicht nur gar keinen Geschäften, sondern lief den ganzen Tag ohne sich zu reinigen und öfters unangekleidet im Orte herum, betete und unternähme allerley Dinge, die keine Vernüftige sondern nur Wahnsinnige unternehmen könnten. Um nun nicht noch mehrere Male umsonst, ohne etwas bewirken zu können nach Kösen zu reisen, habe ich verlangt, mehr gedachte Rammen zu mir zu bringen, welches aber bis an heute noch nicht erfolgt ist.
Daß ich als Arzt in ihrer Lage wohl nichts zu ihrer Besserung werden beytragen können, sehe ich schon im Voraus ein. Daß es aber nach dem Zeugniß der Gemeinde und der Nachbarn höchst nöthig ist, selbige in ein Versorgungs-Hauß zu bringen, wo durch Aufsicht, Arbeit und nach Umständen erforderlich, gute und strenge Behandlung, nicht um ihren verirrten Gemüthszustand verbessern, sondern auch allen zu fürchtenden Unglück vorgebeugt werden kann, dürfte wohl keinen Zweifel unterworfen seyn.
Pforte, den 2ten März 1821 D. Uhlich, Amtsphysicus
An die Königl. Reg. zu Merseburg
Naumburg, den 5ten März 1821
Die Aufnahme zweyer wahnsinniger Frauenzimmer aus Kösen in eine Irrenanstalt.
In der Commune Kösen haben jetzt nach den gehorsamst beygefügten Acten, zwey Frauenspersonen in einem so zerrütteten Gemüthszustande, und dabey in so ungünstigen Familienverhältnissen, daß sie nicht allein der Commune eine sehr große Last sind, sondern auch gegründete Veranlassung zu Besorgnissen mancherley Art geben.
Eine derselben, Johanna Friederike Zwingenbergerin, ledigen Standes, 30 Jahre als und aus Kösen gebürtig, eine vater- und mutterlose Waise,, welche sich seit mehreren Jahren in Diensten des vormaligen Professors der Mathematik Schmidt zu Pforte und nach dessen Ableben bei dessen hinterlassenen Witwe befand, mußte wegen der Verstandes-Verwirrung, worinnen sie sich schon seit einiger Zeit gerathen war, nach der mit von der Schulbehörde hierüber erstatteten Anzeige aus diesem Dienste entfernt und vorläufig von der Gemeinde Kösen untergebracht und in Pflege genommen werden. Dies geschah zwar, aber mit um so größerer Aufopferung von Seiten der Gemeinde Kösen, als ihr ein eigenes Logis gemiethet, und eine Aufseherin bey Tage und bey Nacht gehalten, auch der nöthige Unterhalt gereicht werden mußte.
In den über diese Person ausgestellten Gutachten drückt sich der Schularzt und Amtsphysicus D. Uhlich dahin aus, daß Stolz und Furor uterinus ihre Verstandes-Verwirrung zum Grunde liegen und das um allen möglichen unangenehmen Folgen, welche außerdem zu fürchten wären, vorzubeugen, ist es höchst nöthig worden, sie in eine sichere Verwahrung zu bringen, daß ich in ihrer gegenwärtigen Lage, als Arzt nichts mit ihr anfamgen könne, und daß ohne Zweifel Arbeit, der sie sich aber freiwillig nicht leicht unterziehen werde, das beste Mittel zu ihrer Wiederherstellung abgeben werde.
Die zweyte jener unglücklichen Frauenspersonen ist die Ehefrau des Schneidermeisters Johann Friedrich Wilhelm Ramm zu Kösen. Von ihr zeigten nur die dasigen Gerichtspersonen an, daß sie sich in einem so heftigen melancholischen Zustande befinde, daß man von ihr nicht nur für den Ort selbst die größten Gefahren besorgen, sondern auch befürchten müsse, daß sie ihr eigenes Kind aus überspannter Liebe umbringen und sich selbst ein Leid zufügen werde. Noch bemerkten sie auf meinen in dieser Beziehung an sie gerichteten Verfügung, daß ihr Ehemann nicht weiter im Stande Aufsicht über sie zu führen, um Unglück zu verhüten, in dem er sich als ein auf Märckten herum ziehender Mützenhändler zu ernähren suche, daher aber oft mehrere Tage nicht einheimisch, übrigens aber nicht so vermögend sey, um sie auf seine Kosten unter Aufsicht nehmen zu lassen.
Der Amtsphysikus und Schularzt D. Uhlich aus Pforta, deßen Gutachten ich auch über diese Person erbat, äußert sich, daß er sie schon vor einigen Monaten besucht, sie aber auf alle Fragen erwidert habe, daß es ihr nicht fehle und ihr auch kein Arzt helfen könne. Unterdessen habe er ihren Zustand nochmals am 25. v. M. untersuchen wollen, sie jedoch nicht zu Hause getroffen, und von ihrer Schwägerin, die sie vergeblich im ganzen Orte gesucht, vernommen, daß sie sich zwar körperlich ganz wohl befinde, wie ein gesunder Mensch essen und trinken könne, wohl aussehe, aber in ihren Haußwesen sich ganz und gar keinen Geschäften unterzöge, sondern den ganzen Tag ohne sich zu reinigen und öfters unangekleidet im Orte herum läuft, bete und allerley Dinge unternähme, die nur Wahnsinnige unternehmen können.
Nach seiner Ansicht ist jedem von ihr zu fürchtenden Unglück nur durch ihre Aufnahme in einen öffentlichen Versorgungs-Hauße vorzubeugen, und dann auch selbst für ihren zerrütteten Gemüthszustand durch Arbeit und zweckmäßige Behandlung Besserung zu hoffen.
E. Königl. Hochwohllöbl. Regierung muß ich daher um so mehr das gehorsamste Gesuch vortragen, wegen der Aufnahme beider Personen in einem Irren-Hauße Hohe Verordnung zu treffen, je weniger irgend eine Gelegenheit in dem Orte Kösen vorhanden, um sie unter gehörige Aufsicht zu halten, und die zu diesem Zwecke erforderlichen Einrichtungen die Kräfte der ohnehin armen Commune in so höherm Grade übersteigen würden, als das dasige Gemeinde- Armenhauß mit Armen so überladen ist, daß darin durchaus niemand für jetzt weiter aufgenommen, noch viel weniger für die Beaufsichtigung so wahnsinniger Personen darin gesorgt werden kann.
Der Königl. Landrath
An den Herrn Landrath Lepsius
Die in der von E. Wohlgeboren mittelst Berichts v. 5. d. M. uns eingereichten, hier wieder mit zurückfolgenden Akten hinsichtl. des Gemüthszustandes der geistesschwachen Zwingenberg und der verehelichten Ramm zu Kösen enthaltenen Angaben, können ebenso wenig wie die von D. Uhlich viel zu unvollständig abgegebenen Gutachten dem im Eingang gedachten Berichts formulirten Antrag auf Unterbringung in einer Irren-Heil-Anstalt zureichend begründen, in dem in Fällen, wo nicht die völlige Geistes-Zerrüttung eines Menschen völlig außer allen Zweifeln ist, nach desfalls bestehender Vorschrift ohne richterlichen Spruch niemand als wahnsinnig behandelt werden darf.
Bevor wir daher die Aufnahme der Zwingenberg und Ramm in eine Irren-Heil-Anstalt verfügen können, müßen wir Sie noch außerdem auffordern, dafür zu sorgen, daß die Wahn- oder Blödsinnigkeits-Erklärung der nurgenannten Individuen nach Vorschrift der Allg. Gen.-Ordnung erfolge und uns demnächst eingereicht werde, worauf wir dann das Nöthige veranlassen werden.
Merseburg, den 13. März 1821
Königl. Regierung, Erste Abtheilung
An die Commune Kösen
Nach dem Antrage der Gemeinde Kösen habe ich mich zwar bey der Königl. Reg dafür verwendet, daß die in einem zerrütteten Gemüths-Zustand sich daselbst befindlichen Personen, Johanna Friederike Zwingenbergerin und die Ehefrau des Schneidermeisters Johann Friedrich Wilhelm Ramm, in einer öffentlichen Versorgungs-Anstalt aufgenommen werden möchten; Hochdieselbe hat jedoch die diesfalls gemachten Anzeigen, so wie das vom dem Herrn Amts-Physikus D. Uhlich noch für viel zu unvollständig befunden, als daß dadurch der Antrag auf Unterbringung in eine Irren-Heil-Anstalt zureichend begründet wäre, da in Fällen, wo nicht die völlige Geistes-Zerrüttung eines Menschen außer allen Zweifel sey, nach diesfalls bestehenden Vorschrift ohne richterlichen Spruch niemand als wahnsinnig behandelt werden darf.
Bevor daher die Aufnahme obiger Personen in eine Irren-Heil-Anstalt von Hochlöbl. Regierung verfügt werden kann, muß erst deren Wahn-oder Blödsinnigkeits-Erklärung nach Vorschrift der Allg. Gen.-Ord. erfolgen und bei Hochderselben eingereicht werden.
Der Gemeinde Kösen wird solches mit der Bemerkung eröffnet, daß wegen der Zwingenbergerin der diesfallsige Antrag bey dem Königl. Hochlöbl. Landgericht allhier von Amts halber gemacht werden wird, wegen der Rammin hingegen das Weitere ihrem Ehemann, den ich in dieser Hinsicht von obiger Entscheidung gleichfalls in Kenntnis gesetzt habe, überlassen bleibt.
Naumburg 9. May 1821 Der Königl. Landrath
Kösen, den 19. Sept. 1821
E. Wohlgeb. dem Landrath Lepsius
Gehorsamste Anzeige
Der Zustand der im hiesigen Armenhause befindlichen Johanna Friederike Zwingenbergerin wird immer bedrücklicher und gefährlicher, indem dieselbe sich Steine in die Stube trägt, um ihrer Angabe nach Menschen und besonders Frauenspersonen, wo sie sich vorstellt, daß selbige schöner als sie sind, oder Liebhaber hätten, mit diesen Steinen todt zu werfen.
Da nun die Zwingenbergerin es auch bereits schon an welchen versucht, und dieselben ernstlich geschimpft und hernach gesteinigt, als die Tochter der Wittwe des Kohlenaufsehers Hofmann und die Magd des Fleischer-Mstr. Matthes, welche beyde sich gar nicht mehr wagen durften vor den Armenhause vorbeyzugehen, dasselbe hat die Zwingenbergering auch an dem Einwohner Gottfried Streuber versucht.
Die Personen, welche mit in dem Armenhause wohnen, beschweren sich alle Tage und wollen nicht mehr daselbst bleiben, weil die Zwingenbergerin ganze Nächte keine Ruhe hat und die andern des Lebens sich nicht sicher halten, theils wegen Feuergefahr und auch von derselben mit Steinen todt geschlagen zu werden.
E. Wohlgeb. ersuche daher Ueberbringer dieser Anzeige über das Betragen der Zwingenbergerin vernehmen zu laßen, welche ein mehreres von den Vofällen geben kann
Mit aller Hochachtung unterzeichnet der Richter Hämmerling
Naumburg 22ter Sept. 1821
In Gegenwart des Landrath Lepsius.
Im Landräthlichen Officio erschien Wilhelmine Beerin aus Kösen, angeblich 52 Jahr alt und überbrachte vorstehende Anzeige des Richters Hämmerling, ihres Orts, ließ sich aber auch nach erhaltener Vermahnung die Wahrheit zu reden, vernehmen wie folgt:
Ich wohne mit Hanna Friederike Zwingenbergerin in dem Kösener Armenhaus in einer Stube zusammen, es ist mir aber nicht möglich, dies länger auszuhalten, denn sie hält in der Nacht durchaus keine Ruhe. Sie wirft ihr Deckbett vor die Thüre, lärmt in der Stube umher, schlägt sich Licht an, läuft damit auf den Boden, wo die übrigen Hausbewohner allerley Gestroh liegen haben und daher sowohl für das Haus als den Ort die größte Gefahr zu besorgen ist. Um solches möglichst zu verhüten muß ich daher ihr nachgehen, und sie zurückzubringen suchen, büße aber auf diese Weise fast täglich meine Ruhe ein.
Ebenso leide ich durch diese Gemeinschaft unserer Wohnungen, denn die Zwingenbergerin hat oft nicht die geringsten Lebensmittel, bekümmert sich auch nicht darum, wo sie dergleichen hernehmen will, und ob ich gleich selbst eine Almosenparticipantin bin und daher nichts übrig habe, so bin ich doch oft genöthigt gewesen, für ihren Unterhalt selbst zu sorgen, wodurch ich natürlich in großen Schaden komme. Ich habe ihr bereits 2 Scheffel Kartoffeln gekauft und sie hat solche verzehrt. Ebenso hat sie mir eine Quantität Holz, die ich mir erst vor kurzem von der Königl. Saline für 4 Gr. gekauft habe, verbrannt, so, daß das Feuer im und vor dem Kamin gebrannt und das Haus in augenscheinliche Gefahr gesetzt worden ist.
Das Armenhaus ist kein Tollhaus und ich bitte daher, Verfügung zu treffen daß die Zwingenbergerin in eine sichere Verwahrung gebracht wird.
Wilhelmine Beerin
- Febr. 1830: Meldung des Orstrichters über die Belegung des Armenhauses
Zwingenbergerin: 43 Jahre, Stand des Vaters: Tischlermeister
Lebensverhältniß: geisteskrank, sonst zu gewöhnlichen Arbeiten fähig.
Beschäftigung: Im Winter keine, im Sommer Tagelohn
Nahrung: Im Winter wird dieselbe durch mildthätige Menschen erhalten, im Sommer aber verdient solche Tagelohn.
Rammen: 55 Jahre, Stand: ihr Mann war Schneider
Lebensverhälniß: ist nicht von Kösen gebürtig, sondern von Punschrau, nachdem sie aber Wittwe geworden, hier ihr Unterkommen im Armenhause gefunden, hat ihre Leibes-Constitution von der Art, dass dieselbe sehr gut Arbeiten versehen kann.
Beschäftigung: Spinnen, Nahrung: Ernährt sich durch Spinnen
2.) Susanna Fritsche und Hanna Stange
Koesen, den 15ten Juny 1824
Es hat der hiesige Einwohner und Salzsieder Christian Leberecht Schröder am 12. d. M. bey versammelter Commune darauf angetragen, die bey ihm zur Miete wohnende Susanna verwittwete Fritschen und deren Tochter, die ebenfalls verwittwete Böserin nebst zwey Kindern in das hiesige Armenhaus einzunehmen, welches auch nach den von dem Schrödern angegebenen Gründen von den anwesenden Nachbarn nicht verweigert ward. Die von dem Schrödern angeführten Ursachen bestehen in folgenden:
1.) ist dieselbe schon mehrmals von den Schornsteinfeger dazu angehalten worden, die wandelbare Esse ganz zu machen, auch seyn die ganzen Fenstergewände verfault, muß derselbe neu machen lassen, auch erhält er 2.) keine Miethzins von der Fritschen .
Da nun die Aufnahmen der Fritschen und ihrer Familie in hiesiges Armenhaus nicht ohne E. Wohlgeb. Einwilligung geschehen kann, so verfehle nicht, solche E. Wohlgeb. gehorsamst anzuzeigen und zu bitten, die hierzu nöthige Verfügungen zu ertheilen.
Auch ersuchen wir E. Wohlgeb. die in hiesigen Armenhause seit einer Reihe von 6 bis 8 Jahren befindliche Hanna Stange, welches eine junge, gesunde und starke Person von ohngefähr jetzt 32 Jahren alt ist und uns von Seiten der Flöße, wo selbige in einen kleinen zur Königl. Saalflöße gehörigen Häußchen wohnte, und nur auf kurze Zeit sollte in unserm Armenhause getahn werden, aus selbigen durch E. Wohlgeb. Befehl zu entfernen, indem dieselbe ihrer guten Leibesconstitution nach, welche gut im Stande ist, bei jeder Herrschaft in Dienst zu treten...
Hämmerling Ortsrichter
An den Königl. Landrath
Die Stangin, deren Mutter ein kleines zur Kgl. Saalenflöße gehörendes Hauß bewohnte, in dem sie auch starb, verließ auf Befehl des damaligen Justiz-Amtes Pforta im Jahr 1816 dieses, dem Einsturze drohenden Hauß, in welchen wegen zu befürchtender Gefahr kein Feuer angemacht werden durfte, nachdem ihre Mutter dasselbe bereits schon im Jahr 1807 auf Allerhöchsten Befehl bei Verwarnung verlassen sollte und wurde in dem hiesigen Armenhauß aufgenommen, da sie früher als ein Mitglied der Gemeinde Kösen betrachtet worden war, wovon ich E. Königl. Landräthl. Officio in Kenntniß setze.
Kösen 28. Juli 1824 v. Zedtwitz
Kösen 11. Aug. 1824
E. Wohlgeb. Königl. Landrath Lepsius
Die Familie Stange wurde von dem verstorbenen Floßmeister Puttrich von Flemmingen nach Kösen berufen und dem Vater der Stangen der Dienst als Floßbote übertragen, auch nahm auf Zureden des Herrn Puttrich ein hiesiger Hausbesitzer den Stange zur Miethe in sein Hauß, es wurde aber von dem Puttrich allen Floßbothen untersagt, Commun-Lasten zu tragen, so wurden die Hauswirthe, von der Commune in Anspruch genommen, um für die bey ihnen zur Miethe wohnenden Floßbothen, diese Lasten und Abgaben zu tragen, und man letztere so viel an Miethe als die Abgaben betrugen, mehr zahlen lassen.
Die andern Floßbothen wurden mit ihren Wirthen einig und bezahlten mehr, Stange verstand sich aber zu keiner Bezahlung und wurde dahero von seinem Hauswirthe, wo er nur höchstens zwey Jahre gewohnt hat, ihm die Miethe gekündigt und kein anderer nahm ihm wieder ein, so mußte denselben der Puttrich in das kleine Flößerhäußchen einnehmen, wo auch Stange und seine Frau verstarben und diese vorjetzo in unserm Armenhause befindliche Hanna Stangen geboren wurde.
Das Armen-Hauß ist ganz allein aus Mitteln der Commune erbaut und ist von Seiten der Flöße und der Saline nicht der geringste Beytrag dazu gegeben worden. Auch wird von den Herrn Oberfloßcommissarius v. Zedtwitz zu keiner Commun-Last beigetragen, nur die beyden, als der Rendant Stange und der Ober-Förster Pfützner tragen als Miethbewohner vor jetzo zu den Commun Lasten bey...
Hämmerling Ortsrichter.
Kösen, 18. Aug. 1824
E. Wohllöbl. Königl. Landrath Lepsius
….Nach dem Tode der verwittweten Stangen verließ die Tochter derselben die zeitherige Wohnung und wurde in das hiesige Armenhaus von dem vormaligen Pfortaischen Justiz-Beamten gewiesen, da sie nach Akten, als zur Gemeinde Kösen gehörig behandelt worden sei.... Zu leugnen ist jedoch wohl keinesweges, daß die Stangin welche die schwersten Arbeiten verrichtet als z. B. das Ausziehen und Wiedereinwerfern in das Waßer von den Floßhölzern, recht füglich ihr Unterkommen durch Vermiethung finden kann, so sie Lust zum Arbeiten hat. Bei der diesjährigen Flöße verdiente sich dieselbe in 7 Wochen, obgleich nicht alle Tage Arbeit vorhanden war, 10 Thaler, 16 Groschen, 6 Pfg. durch das Ausziehen von Floßhölzern.....
von Zedtwitz
E. Wohlgeb. Herrn Landrath Lepsius
E. Wohlgeb. zeige ich hierdurch gehorsamst an, daß ich der im Armenhaus wohnenden Hanna Stangen bekannt gemacht, sich binnen Dato und Michaelis d. J. zu vermiethen und in Diensten zu gehen, im Unterlassungsfall sonst dieselbe durch Zwangsmittel dazu angehalten würde, oder in ein Arbeitshaus gebracht werden wird, von Erfolg werde E. Wohlgeb. nach dieser Frist wieder Anzeige erstatten.
Kösen, 26. August 1824 Hämmerling, Richter
An E. Königl. Hochlöbl. Reg.-Abth. d. Innern zu Merseburg
Die ganz mittelose, im Armenhause zu Kösen wohnende 38jährige Tochter des verstorbenen Floßboten Stange, Johanna, befindet sich zum zweiten Mal außer der Ehe schwanger und erwartet täglich ihre Niederkunft. Nach der beygefügten Verhandlung v. 9. d. M. ist dieselbe angeblich nicht im Stande ihren Schwangerer namhaft zu machen und es erwächst durch diesen Fall der Gemeinde Kösen eine neue Last. Die größte Sorge veranlaßt aber die Entbindung der Stangin selbst, da das Armenhaus so überfüllt ist, daß die darin wohnenden Familien sich fast erdrücken und deshalb schon vor längerer Zeit Anordnung zu deßen Erweiterung getroffen worden sind, welche aber erst im Laufe dieses Sommers zur Ausführung kommen können.
Es wäre deshalb sehr zu wünschen, wenn die Stangin eine unentgeltliche Aufnahme im Entbindungs-Institut zu Halle fände, worauf die Gemeinde lt. Beylage angetragen hat, weshalb ich nicht unterlasse für die Stangin um schleunige Verordnung für deren Aufnahme, wenn es die Umstände gestatten, zu bitten ….
Naumburg 10. April 1827 Kgl. Landrath Lepsius
An den Kgl. Landrath Herrn Lepsius
Auf den Bericht v. 10. d. M. die Aufnahme der unverehelichten schwangeren Johanne Stange zu Koesen ins Entbindungs-Institut zu Halle betreffend, müssen wir E. Wohlgeb. erwidern, daß diese Anstalt eine akademische ist und den Antrag zur Aufnahme bey dem Director derselben Herrn Professor der Geburthshilfe D. Niemeyer geschehen müßte.
Stände die Niederkunft der Stange nicht zu nahe bevor, um sie mit Sicherheit noch nach dem Königl. Hebammen-Institut in Wittenberg schicken zu können, so würden wir sie unbedenklich dahin sofort verweisen lassen. Jetzt ist aber zu fürchten, daß sie die Geburt unterwegs schon überraschen möchte.
Merseburg den 1. May 1827
Kgl. Reg. Abth. des Innern
An E. Wohlgeb. Hr. Landrath Lepsius
Auf umstehende Verfügung verfehle ich nicht E. Wohlgeb. hierdurch gehorsamst anzuzeigen, daß nach Befragen der unehelichen Stangin im hiesigen Armenhause ihre Niederkunft so nahe ist, daß dieselbe glaubt, daß im Laufe künfftiger Woche dieselbe erfolgen wird, und es dahero wohl unmöglich ist, die Stangin in das Hebammen-Institut nach Wittenberg transportieren zu können.
Kösen, den 12ten May 1827 der Richter Hämmerling
9. Februar 1830: Meldung des Ortsrichters über die Belegung des Armenhauses
Stangen 40 Jahre, Stand: Vater war Floßbote jedoch ganz arm
Lebensverhältnisse: hat unehelich zwei Kinder und zwar Söhne, wovon der eine 15 und der zweite 3 Jahr alt sind , übrigens gesunder Körper.
Beschäftigung: Taglohn, Nahrung: Nährt sich und die Familie davon.
Fritschen: 74 Jahre, Stand: Ihr Mann war Tagelöhner,
Lebensverhältnisse: Ist Wittwe... wegen Alter etwas schwächlich
Beschäftigung: Spinnen, Nahrung: theils durch Spinnen sowie auch wöchentl. durch 4 Gr. Almosen
3.) Die Familie des tödlich verunglückten Handarbeiters Ziege
An den Kgl. Landrath Wohlgeb. zu Naumburg
Die Königl. Majestät haben mittelst Allerhöchsten Kabinetts-Order vom 17ten v. M. auf unsern Zeitungs-Bericht vom Januar der Wittwe des in der Glaubersalzfabrik zu Kösen verunglückten Handarbeiter Ziege eine Unterstützung von Dreißig Thalern zu bewilligen geruht, welche dieselbe bei unserer Hauptkasse gegen ihre von Ihnen attestirte Quittung erheben kann.
Merseburg 1. März 1826 Kgl. Reg. Erste Abt.
Kösen, den 19. März 1826
E. Wohlgeb. dem Kgl. Herrn Landrath Lepsius
Aus dem am 15ten d. M. erhaltenen Schreiben haben mit Freuden vernommen, daß es E. Wohlgeb. Bemühungen gesegnet und Derselbe für die Wittwe des in der Glaubersalzfabrik allhier verunglückten Arbeiters Ziege, von Berlin aus ein Gnadengeschenk von 30 Thalern ausgemittelt, wofür Unterzeichneter für und im Namen dieser armen Wittwe herwider gewährtesten Dank darbringt.
Nur wäre meine gehorsamste Bitte an E. Wohlgeb. an Ueberbringer dieses, welches der Vater des verunglückten Ziege ist, dieses Geld deren 30 Th. zu übergeben, da derselbe auch noch 20 Th. welche von der hier eingesammelten Collecte, nach allen Ausgaben noch übrig ist und die Wittwe mit den nöthigsten Lebens-Bedürfnißen versehen ist und nach meinen und des Vaters Ziege Ansichten, es würde zuträglicher und rathsamer seyn, diese Summa derer Fünffzig Th. für die vaterlosen Waisen in die Sparkasse zu Naumburg einzulegen, wo ich E. Wohlgeb. gehorsamst ersuche, dem Vater des Ziege die dazu nöthige Auskunft gefälligst zu ertheilen...
Da wir jetzt in Ansehung der Lebensmittel, die ganz wohlfeile Preiße haben, die Wittwe auch noch eine junge Person ist, auch im Nothfall von ihren Schwiegereltern auf Unterstützung zählen kann, so denke daß E. Wohlgeb. meine und des Vaters Ansichten werden für gut halten...
Der mit aller Hochachtung verharrende Richter Hämmerling
An E. Wohllöbl. Landräthl. Amte zu Naumburg
Mit Beziehung auf dasjenige, was der Ober-Bergrath Loew in Folge der mit E. Hochlöbl. Landräthl. Amte über die Unterstützung der bedürftigen Familie des in der chemischen Fabrik des Heun zu Koesen verunglückten Arbeiters Ziege gehaltene Berathung … angezeiget hat, haben wir nicht Anstand genommen, jedem der drey ältesten Ziegenschen Kinder, die der Ziege während seiner vormaligen Dienstzeit als Salinen-Arbeiter erzeugt hat, aus der Wittwen- und Waisen-Cassa der Saline Koesen vom 1. April dieses Jahres ein jährliches Waisengeld von 7 Thaler bis zum Erreichen des 14ten Lebensjahres zu bewilligen, in dem Vertrauen, daß diese Unterstützung unter der Aufsicht E. Kgl. Wohll. Landrathamtes zu einer zweckmäßigen Erziehung der Kinder werde verwendet, auch von Wohldemselben, sobald als nöthig werden sollte, auf die Aufnahme eines oder mehrere der gedachten Kinder in dem Langendorfschen Waisenhause und auf etwa nöthige Armen- Unterstützung der Wittwe in der Kösener Commune werde hingewirkt werden.
Die von dem Heun gethane Offerte für die Kinder des bey seinen Fabrikgeschäften verunglückten Arbeiters die Schulgelder bezahlen zu wollen, haben wir acceptirt und ersuche E. Wohll. Landräthl. Off. um gefällige Veranlassung, daß diese Schulgelder durch den Schulgeldeinnehmer in der Commune Koesen von dem Heun insistiret werden, dem wir übrigens beschieden haben, daß er sich bey seinem Fabrikgeschäften auf der Saline Koesen allerdings der polizeylichen Mitaufsicht der Salinen-Verwaltung unterwerffen müsse.
Halle, den 28 Juni 1826
Königl. Nieders.-Thür. Oberberg Amt
An E. Hochlöbl. Landgericht hier
Für die unmündigen Kinder des vor einiger Zeit zu Kösen in der Glaubersalzfabrik verunglückten Gottfried Ziege sind zu Kösen 20 Thaler gesammelt und bei der hiesigen Sparkasse eingeleget worden. Ich finde es am angemeßensten, das darüber ausgefertigte Einlegebuch E. Kgl. Wohllöbl. Landgericht als Vormundschaftliche Behörde zu übersenden, und Wohldemselben zu überlaßen, zu fernerweiten Sicherstellung dieser kleinen Summe zum besten der Kinder die nöthige Anordnungen zu treffen.
Naumburg, den 1. Juli 1826
Der Kgl. Landrath
Kösen, den 14. July 1826
An E. Wohll. Landräthl. Officio
E. Landr. Officio ersuche hiernach ergebenst, den Herrn Salinen-Inspector Senff und mich gefälligst zu benachrichtigen, ob der Wittwe des verunglückten Handarbeiters Ziege, daß von S. Majest. dem König derselben unterm 17. Febr. bewilligte Gnadengeschenk derer 30 Th. in Empfang genommen oder ob dasselbe zu den von dem Vater des Ziege dazu gezahlten 20 Th. in die Naumburger Sparkasse gegeben, da der Vater als Vormund für die hinterlaßenen Kinder des verunglückten bestellt werden soll.
Der ich mit aller Hochachtung verharrende Richter Hämmerling
An E. Königl. Preuß. Wohll. Landräthl. Officio
E. Königl. Hochlöbl. Landräthl. Officio erwiedern wir ergebenst durch den Sign. 19. Sept. in der Ziegeschen Vormundschafts-Sache von Kösen, daß wir dem Antrage gemäß die Kgl. Saline-Verwaltung in Kösen ersucht haben, das jährliche Unterstützungs-Quantum von 7 Thaler, für das in Würzburg sich befindende Ziegesche Kind an E. Wohlgeb. unmittelbar auszuzahlen, so lange dieses Kind von den Übrigen abgesondert erhalten werden muß. Über die Verwendung der bemeldten 7 Thaler ersuchen wir E. Wohlgeb. ergebenst dem Erbieten gemäß, Rechnung anzulegen, indem wir versichern, daß wir über die Verwendung der Unterstützungs-Gelder für die zwey übrigen Ziegenschen Kinder den Großvater als Vormund derselben gehörig verweisen und anhalten werden
Naumburg, am 29. Sept. 1826
Kgl. Preuß. Landgericht
Decret
in der Ziegenschen Sache
Dem Salzsieder Johann Friedrich Ziege in Kösen als Vormund seiner 4 unmündigen Enkel ist bekannt zu machen, daß die mit der Mutter seiner Pflegebefohlenen am 4. Oct. getroffene Vereinigungen, dahin daß
a.) der Mutter Ziege den Nachlaß … zur Verwendung für ihre Kinder zu überlaßen
b.) daß die aus der Salinen-Wittwen und Waisenkasse verwilligten Unterstützungsgelder, wie sie nacheinander fällig werden, sowie die Zinsen von 20 Thaler Sparkassen-Capital für die beiden ältesten Kinder, wie zeither, unmittelbar erhoben und für diese Kinder verwendet werden und
c.) daß Vormund sich verpflichtet, für die ordentliche Erziehung und Verpflegung seiner Mündel zu sorgen und von Zeit zu Zeit die Abzahlung der Unterstützungs- und Interims-Gelder an die Wittwe Ziege durch einzunehmende jährliche Rechnung nachzuweisen und damit zu Ende des Jahres den Anfang zu machen, Obervormundschaftswegen genehmigt worden ist.
Was aber diejenigen 7 Thaler Unterstützungsgelder welche dem jetzt in Würzburg befindlichen gebrechlichen 3ten Kindes ausgesetzt sind, anlangt, so werden solche von dem Hr. Landrath Lepsius von der Kgl. Salinenverwaltung ausgezahlt und von Demselben berechnet.
Uebrigens hat sich Herr Heun zu Bezahlung der Schulgelder für die schulfähigen Kinder verpflichtet
Naumburg, 17. Dez. 1826
Königl. Preuß. Landgericht
Den Kgl. Landrath
in die allerschrecklichste und traurigste Lage versetzt, naht sich die am Ende unterzeichnete Wittwe mit ihren vier Kindern E. Wohlgeb. Milde und bittet für selbige händeriingend und seufzend um gnädige Unterstützung wenigstens für den ausgewachsenen Knaben derselben.
Ich habe immer gesucht, mich und meine Kinder durch meiner Hände Arbeit zu ernähren und zu erhalten, wenn auch kümmerlich, aber doch ehrlich. Jetzt aber wird es mir unmöglich, ganz ohne Hülfe auch noch für meine Kinder zu sorgen, da ich selbst kaum mein bißchen ärmliches Leben noch zu bestreiten vermag und mich meines von Leiden angefüllten kränklichen und schwächlichen Körpers wegen, das Joch und die Last schon zu Boden drückt. Ganz auf Sie sind daher meine weinenden Augen gerichtet, auf Sie, der Sie mir als nächster Vetter wohl am leichtesten eine wesentliche Eleichterung meines harten Schicksales verschaffen können.
Im zuversichtlichen Vertrauen, der gütigen Versorgung meines gebrechlichen Sohnes Julius und einer sonstigen Unterstützung entgegen sehen zu dürfen, will nicht nur solche Gnade solange ich athme preisen, sondern auch in tiefster Submission ersterben als E. Wohlgeb.
Wittwe Sophia Ziege
Kösen den 24. April 1832
Den Kgl. Landrath
Ich bitte, ganz ergebenst anzuzeigen, daß ich bey geringen Einkommen nicht im Stande bin, meine jüngste Tochter, 9 Jahre alt, namens Pauline, alleine zu erhalten. Ich habe außer diesen noch drei Kinder, wovon kürzlich zwei aus der Schule und der dritte, erst 13 Jahre alt, und auf welchen letzteren seiner Gebrechlichkeit halber, ich jährlich 8 Thaler zu seiner Er- und Unterhaltung aus der Knappschaftskasse erhalte. Die übrigen drei aber habe ich 8 Jahre lang als Wittwe ganz allein erzogen und muß noch immer für selbige sorgen, da die beiden Aeltesten ihr Brodt noch nicht verdienen können, ihren Schwächen halber. Meine Lage ist jetzt so traurig, daß ich oft nicht weiß, wodurch ich mich und meine Familie erhalten sollte. Diese traurige Lage wird besonders dadurch vergrößert, daß mir die kleine Unterstützung des Fabrique-Besitzers Herrn Heun seit einem Jahr entzogen, welcher mir zuvor nur einen sehr geringen Zuschuß gewährte, so war es mir denn doch bey meinen geringen Verdienste sehr fühlbar. Ich kann daher, da ich nirgends Gehör finde im vorliegenden Falle mein Schicksal der väterlichen Fürsorge E. Wohlgeb. unterthjänist überlassen.
Kösen, den 9. December 1834
Wittwe Sophia Ziege im Dorfe Kösen bei Wölfel wohnend
4.) Der Fall der Familie Köttnitz
An den Kgl. Preuß. Landrath Herrn Lepsius
E. Wohlgeb. erlauben wir uns auf die mitleidswürdigen und würckliche Elendslage des im hiesigen Orte Kösen mit Frau und Kindern lebenden Handarbeiters Christian Köttnitz aufmerksam zu machen, und um gütige und menschenfreundliche Berücksichtigung und Aufhülfe der durch Krankheit sehr herabgesunkenen Vermögens-Unstände desselben ergebenst zu bitten.
Nur gedachter Köttnitz ist nämlich der älteste Sohn des im vorigen Jahre verstorbenen hiesigen Siede-Meisters Köttnitz und würde, ebenso wie einige seiner jüngern Brüder, gewiß schon längst einen festen Arbeiter-Dienst bey hiesiger Saline erhalten haben, wenn er nicht so unglücklich wäre, schon von früher Jugend an mit viel Epilepsie behaftet zu seyn, wodurch er, wie begreiflich ist, in Rücksicht der für ihn zu fürchtenden Lebens-Gefahr so wohl, als der etwa für den Dienst daraus erwachsenden großen Nachtheils und Unglücks gleichmäßig unpassend dazu erscheinen müßte.
Vom Anfange herein und bis jetzt ist dieser Köttnitz, so weit möglich, fast immer durch Handarbeit im Tagelohn bey hiesiger Saline beschäftigt worden, um ihm, da er zu allen Unglück auch verheiratet und Vater von einigen Kindern ist, Gelegenheit zu geben, sich und die seinigen auf eine redliche Weise zu ernähren. Dies geschah unsererseits theils aus allgemeiner Menschlichkeit theils aber auch um ihn als den Sohn eines Unterofficianten und Knappschafts-Genossen so weit nur irgend, sich mit dem Dienstpflicht vereinbaren lassen wollte, Unterstützung zugehen zu lassen. Dies können wir aber nicht mehr also fortführen, denn zu unserem großen Leidwesen müssen wir bemerken, daß sich die Anfälle der fallenden Sucht bey dem Köttnitz jetzt häufiger als je zu wiederholen pflegen und selbigen wie auch sein äußeres Ansehen schon genugsam beurkundet, würcklich geistesschwach gemacht haben. Diesen nach können wir selbigen fernerhin nicht mehr, so wie bisher, durch Zutheilung von passenden Tagelohn-Arbeit unterstützen lassen, weil er überdies nicht einmal bey der Arbeit bleibt, bey welcher er angestellt ist, sondern stets sich davon entfernt.
Da er nun, wie schon eben erwähnt worden, von den vielen und unzähligen Anfällen der Seuche nämlich auch geisteskrank ist, so können, wollen und dürfen wir strengere Rügen wegen der versäumten Arbeit nicht vernehmen lassen und es bleibt uns nichts übrig, als den Köttnitz, da wir selbigen bey eigener Verantwortlichkeit in den Taglöhnerlisten, ohne thätig zu seyn, nicht aufführen und aus der Kgl. Kasse lohnen lassen dürfen, für künftig ganz von der Arbeit hier bey der Saline auszuschließen.
Da nun aber durch diese Maaßregel, so ungern solche von uns auch immerhin ausgeführt wird, dem Köttnitz seine bisherige Nahrung ganz wegfallen muß, so haben wir wenigstens diesen Gegenstand E. Wohlgeb. gütigen und menschenfreundlichen Ermessen insofern angelegentlich empfehlen wollen, ob der Köttnitz unter so bemeldeten Umständen sich nicht dazu qualifiziren, in eine Armen-Vorsorgeanstalt gebracht werden zu können, um daselbst unter milder Behandlung und bey ärztlicher und diätetische Pflege vielleicht, wenn auch nicht radical, doch wenigstens so weit wieder hergestellt werden könne, um noch als gewöhnlicher Handarbeiter nützlich zu werden und seinen Unterhalt selbst zu verdienen, ohne der Commune Kösen zu Last zu fallen.
Sollte es E. Wohlgeb. gefallen wollen, sich in dieser Angelegenheit gütigst zu verwenden, so glauben wir beynahe nicht zweifeln zu dürfen, daß solches mit einen guten Erfolge gekrönt werden würde, und es könnte uns nicht anders als gar sehr erfreulich seyn, wenigstens durch gegenwärtige ergebenste Zuschrift Veranlaßung zu einiger Erleichterung für die Kösener Commune gegeben zu haben, da wir verfaßungsmäßig etwas Weiteres hierunter zu thun, uns gänzlich außer Stande befinden würden.
Kösen den 19. Dec. 1827 Die Königl. Salinenverwaltung Senff, Schweingel, Judersleben
Anm. 1 des Landrats
… dem Herrn Dr. Heyne zu Kösen mitzutheilen, mit dem Ersuchen, über den Gesundheits- und Gemüthszustand des Köttnitz nach vorgängiger Untersuchung jedoch bald, gefälligst mit Gutachten ...einzureichen
Anm 2 des Landrats
Der Kgl. Regierung berichtlich vorzulegen, mit der Bemerkung, daß eine große Anzahl armer Personen und unter diesen mehrere Blödsinnige der Commune Kösen zur Last fallen, welches jetzt eine Erweiterung des Armenhauses nöthig gemacht hat.
Naumburg 12. Dec. 1827
E. Wohlgeb dem Herrn Landrath Lepsius
E. Wohlgeb. hier unter dem 14. d. M. zugefertigten Verfügung zu folge, habe ich heute den Christian Köttnitz allhier, einer ärztlichen Untersuchung unterworfen, deren Resultate ich in folgendem E. Wohlgeb. ganz ergebenst mitzutheilen mich beehre.
Der Köttnitz, ungefähr einige vierzig Jahre alt, war wegen seiner erlittenmen Geisteszerrüttung unfähig, die ihm vorgelegten Fragen gehörig zu beantworten. Nach dem Zeugniß seiner Frau und der übrigen Umstehenden, leidet der Köttnitz schon seit seiner Jugend an folgenden Zufällen:
Zu ganz unbestimmten Zeiten, so wohl am Tage als auch des Nachts, jedoch öfters des Morgens oder nach einer Mahlzeit stößt er ohne vorher weiter etwas gemerkt zu haben, also urplötzlich, einen lauten Schrei aus, dann wird der Kopf plötzlich nach einer Seite und der Kranke, wenn er sitzt oder steht auf die Erde geworfen, worauf das Gesicht entweder bey stieren Blick oder verdrehten Augen, gräßlich verzogen wird, Schaum vor dem Mund tritt und allgemeine Zuckungen bey eingeschlagenen Daumen und röhrenden Athem erfolgen. Meist geht auch während dem der Koth und Urin ab. Ein tiefer Schlaf soll stets diese Anfälle beschließen und Patient nach dem Erwachen nie gewußt, was mit ihm vorgegangen ist. Seit ungefähr 3 Jahren sollen diese Ausfälle immer häufiger geworden seyn und jetzt den Kranken all 2-3 Tage ja auch wohl an einem Tage mehrere Male befallen.....
Wenn daher im vorliegende Falle die Krankheit wegen ihrer so sehr langen Dauer, wegen der Dunkelheit der veranlassenden und vorhandenen großen Geisteschwäche und auch manchen andern Gründen wegen, wenig Hoffnung auch nur zu ihrer Verminderung übrig läßt, so wäre doch die Versetzung des Christian Köttnitz an einen Ort, an welchem er außer einer angemessenen Pflege, dem Anblicke der Welt mehr große Wohlthat für ihn und seine Mitmenschen anzusehen
Kösen, den 18. Dec. 1827 Dr. Heyne
An E. Königl. Hochlöbl. Reg. Abtheilung zu Merseburg
Der älteste Sohn des im vorigen Jahr verstorbenen Siedemeisters Köttnitz namens Christian Köttnitz zu Kösen war von früher Jugend an mit der Epilepsie behaftet, wodurch er verhindert wurde, sich einem Gewerbe zu widmen. So lange sein Zustand erträglich war, wurde er von der Salinen-Verwaltung mit Handarbeit beschäftigt und dadurch in den Stand gesetzt, sich, da er leider verheiratet ist, seine Frau und mehrere Kinder zu ernähren. Seitdem sich aber zu dem Uebel noch Geistesschwäche gesellt hat, ist er zu aller Arbeit unfähig und daher von der Salinen-Verwaltung verabschiedet worden, wodurch er nun mit seiner Familie in die traurigste Lage versetzt ist.
Gesetzlich fällt er als ein geborener Kösener mit seiner Familie der dasigen Commune zur Last, dies ist aber wie E. Hochwohlgeb. aus früheren Berichten hinlänglich bekannt ist, selbst sehr arm und hat schon eine solche Anzahl Arme, worunter mehrere Blödsinnige, zu unterhalten, so daß eine Erweiterung des Ortsarmenhauses stattfinden muß. Soll der unglückliche Köttnitz mit seiner Familie untergebracht werden, so entstehen neue Indolenzien, da ihm wegen seines Krankheits-Zustandes ein eigenes Behältnis zugewiesen werden müßte.
Diese Verlegenheit würde abgestellt, wenn der Köttnitz in eine Armen-Versorgungs-Anstalt untergebracht würde, wo er eine gute Behandlung und ärztliche Hülfe zu erwarten hat. Es wäre möglich, daß er in kurzer Zeit, wenn auch nicht radical, doch soweit wieder hergestellt würde, daß er sich und die Seinigen durch Handarbeit ernähren kann.
E. Hochwohlgeb. bitte ich daher, wenn es nur irgend die Umstände erlauben, den kranken Köttnitz in der Landarmen.Krankenanstalt zu Zeitz unentgeltlich aufzunehmen zu lassen und auch mich mit desfallsiger Hoher Resolution zu versehen.
Naumburg, 20. Dec. 1827 Lepsius
An den Kgl. Landrath
Die Zurückgabe der mit dem Bericht vom 20. December eingereichten Anlage eröffnen wir E. Wohlgeb. hiermit, den Handarbeiter Christian Köttnitz zu Koesen in die Versorgungsanstalt zu Zeitz aufzunehmen, nicht eingehen können, da derselbe als Orts-Armer von der Commune zu Kösen versorgt werden muß und auf keine Weise als ein Landarmer zu betrachten ist, auch bey dem beschränkten Raume des Instituts in diesem Falle zu Gunsten der Commune Kösen eine Ausnahme nicht gemacht werden kann.
Merseburg, 9. Januar 1828
Kgl. Preuß. Reg. Abth. d. Innern
Wohlgeb. Herr, Hochgeehrter Herr Landrath
E. Wohlg. beehre ich mich hierdurch nach Ihrem Wunsche schriftlich die am dritten August mündlich gemachten Anzeige von dem elenden Zustande der in dem Armenhause zu Kösen wohnenden Wittwe Köttnitz zu wiederholen und die Bitte zu erneuern, daß aus der Armenkasse des Kreises oder der Commune die Bezahlung des Arztes, der Medicin und der nothwendigsten Nahrungsmittel für die Frau und ihre Kinder bestritten werden möge, daß der Arzt ausdrücklich als eine unerläßliche Bedingung zu Gelingen der Cur fordert, da die Kranke das Zimmer nicht verläßt, wodurch ihr fast alle Mittel des Erwerbs abgeschnitten sind.
Die Wittwe Köttnitz hat zwei Kinder weiblichen Geschlechts, die ältere Tochter, 12 Jahre, ist blödsinnig und mit der fallenden Sucht behaftet, also in einem Zustand an dem leider weder viel zu verderben noch auch viel zu bessern seyn möchte, die zweyte Tochter aber, ein Mädchen von 8 Jahren ist zur Zeit noch gesund und verräth keine schlechten Gaben des Geistes und Gemüthes. In der Gesellschaft ihrer Mutter, die eben jetzt an einem neuen Ausbruch von alten Uebeln leidet und unter den sittlich verderblichen Einflüssen der übrigen Bewohner des Kösener Armenhauses, muß dieses Kind leiblich und geistlich zu Grunde gehen. Es ist nur allzu gewiß, daß weder von den Mitteln, welche die Orts-Polizey-Obrigkeit in Händen hat, noch von den Bemühungen des Geistlichen, durch Ermahnungen die Personen zu bessern, die im Armenhause vereinigt sind, eine Frucht erwartet werden kann. Und somit sehe ich mich auf die gesetzliche Vorschrift des Allgemeinen Landrechts verwiesen: „daß offenbar schlechten Eltern, die Erziehung ihrer Kinder genommen und die Kinder in bessere Familien oder in gute Anstalten untergebracht werden sollen“.
Es würde mir sehr wünschenswerth seyn, wenn E. Wohlgeb. mir ihren Rath und Mitwirkung für die Angelegenheit gewähren, ja sich derselben mit unterziehen wollen,da ich überzeugt bin, daß durch mich allein die Sache entweder gar nicht oder sehr langsam zu einem wünschenswerthen Resultate geführt werden könnte. Mir scheint es, soweit ich die Verhältnisse kenne, am besten, wenn das fragliche Kind in dem Waisenhause zu Langendorf ein Unterkommen fände. Zunächst würde man sich wohl mit dem Vormund und mit der vormundschaftlichen Behörde in Einverständniß setzen müßen.....
Pforta, den 20. Aug. 1828 Schmieder
An den Richter Hämmerling zu Kösen
Der Zustand der Wittwe Köttnitz im Armenhaus zu Kösen macht es nöthig, daß angemeßene Maaßregeln zu ihrer Pflege getroffen werden. Sie werden beauftragt, sich hierüber mit dem Arzt Dr. Heyne unter Vorzeigung diese zu vernehem und nach dessen Anleitung die nöthigen Veranstaltungen zu treffen.
Von der wohwollenden Gesinnung des Dr. Heyne ist es zu erwarten, daß er sich der Kur gern uneigennützig unterziehen werde, doch haben Sie ihm die Zusicherung zu ertheilen, daß jedenfalls Auslagen und Medicin aus der Armenkasse vergütet werden soll.
Besondere Aufmerksamkeit erheischt aber das Verhältnis, in welchem sich das jüngste Kind der Köttnitz befindet. In der Gesellschaft der Mutter, die an alten Uebeln leidet und der sittlich verderblichen Einflüsse der übrigen Bewohner des Kösener Armenhauses muß dieses Kind leiblich und und geistlich zugleich zu Grunde gehen, wenn dasselbe nicht von der Mutter und aus dem Armenhause weggenommen und bei ordentlichen Leuten untergebracht würde. Das letztere muß geschehen, so lange das erstere nicht auszuführen ist. Ich sehe daher Ihren Vorschlägen hierüber binnen 8 Tagen entgegen.
Naumburg 22. Aug 1828 Lepsius
An E. Kgl. Hochl. Reg. Abth. d. Innern
Der Handarbeiter Köttnitz zu Kösen über dessen hülflosen Zustand ich E. Hochwohlgeb. unterm 20. Dec. v. J. gehorsamsten Bericht erstattete und auf dessen Aufnahme in einer Versorgungs-Anstalt antrag, welches jedoch nach dem Hohen Rescript vom 6. Januar d. J. nicht stattfand ist im Monat März am Kösener Berge entseelt aufgefunden worden und hat eine Wittwe und drey Töchter von resp. 14, 12 und 8 Jahren hinterlassen, von welchen die älteste blödsinnig ist. Der Köttnitz wohnte im Gemeinde-Armenhaus und die Wittwe blieb nach dem Tode ihres Mannes mit ihren Kindern in demselben .
Ich habe mich aber genöthigt gesehen, letztere bey einer andern Einwohnerin des Orts unterzubringen da die Köttnitz an Ausbrüchen nervischer Uebeln leidet und zu befürchten war, daß sich diese ansteckende Krankheit auf die Kinder verpflanzen, auch die sittliche Verderbtheit der übrigen Bewohner des Armenhauses nachtheilig auf dieselben einwirken möchten.
Aber auch durch diese Anordnungen wird die den Kindern drohende Gefahr nicht völlig gehoben, da dieselben sich häufig von der Zeitscheln, bey welcher sie sich in Pflege befinden, heimlich entfernen und bey ihrer Mutter dem Verbot entgegen Aufnahme finden, so daß ich mich veranlaßt gesehen habe, dieselben durch Gendarmen zurück bringen zu laßen.
Auf der andern Seite wird aber auch durch die Verpflegung der drey Kinder bey der Zeitscheln der armen Commune Kösen eine ihre Kräfte übersteigende Ausgabe verursacht, da dieselbe außer diesen Armen noch mehrere zu ernähren hat und die Vergrößerung und Verbesserung ihrer Schule und andern nothwendigen Dingen, die Kräfte der Einwohner auf vielfache Weise in Anspruch nimmt.
Es ist daher sehr zu wünschen daß die beiden jüngeren Kinder oder im Fall keine Vacanzen für beide sich zeigen sollte, vorläufig eins derselben im Waisenhause zu Langendorf untergebracht werden möge und daher ich nicht unterlassen kann E. Hochwohlgeb. um die diesfalls nöthige Anordnung eherbietigst zu bitten, wogegen ich mich zur Beilegung der erforderlichen Atteste verpflichte
Naumburg 14. Oct. 1828 Lepsius
Anlage
An Wohlgeb. Herrn Kgl. Landrath Lepsius
E. Wohlgeb. melde ich hierdurch, daß die Kinder der Köttnitz nicht bey der Zeitscheln bleiben wollen. Dieselben sind schon mehrmals wieder bey ihrer Mutter wieder hingelaufen, besonders die beiden älteren, die kleinste bleibt aber bey der Zeitscheln, würde es nicht am besten seyn, wenn Oxford mit Gelegenheit heraus kommt, und durch dieselben lassen bey die Zeitscheln bringen. Da glaube ich, haben sie Furcht und bleiben, denn die Mutter derselben ist schuld, dieselbe will die Kinder nicht hinlassen
Anlage
Kösen 12. Oct. 1828 Hämmerling, Richter
Oxforth anzuweisen, die Kinder zur Zeitscheln hinzubringen und denselben zu bedeuten, daß wenn sie nicht bey derselben bleiben würden, sie herein gebracht und mit Schlägen bestraft werden würden, auch der Köttnitz anzudeuten, bey Gefängnisstrafe, die Kinder nicht mehr bey sich aufzuhalten. Den Schullehrer zu veranlaßen, den Schulbesuch der schulpflichtigen Kinder pflichtgemäß zu beobachten und Versäumniße zur Anzeige zu bringen.
Naumburg 10. Dez. 1828 Lepsius
An den Kgl. Landrat Hr. Lepsius
Unter den von E. Wohlgeb. am 14. v. M. angezeigten Umständen sind wir zwar nicht abgeneigt, die beiden jüngeren Töchter des verstorbenen Handarbeiters Köttnitz zu Koesen in die Waisenerziehungs-Anstalt in Langendorf bey sich ereignenden, jetzt aber nicht vorhandenen Vacanzen, aufnehmen zu lassen. Um solche zur Aufnahme notiren lassen zu können, müßten jedoch noch zuvörderst die vorschriftsmäßigen Gesundheits-, Blattern-Impfungs und Taufzeugnisse der selben nebst deren Armuths-Attest hierher eingereicht werden.
Bis die Aufnahme dieser Kinder erfolgen kann, ist jedoch die Gemeinde Kösen für deren Unterhalt zu sorgen verbunden, und haben E. Wohlgeb. darauf zu sehen, daß diese Kinder ordentlich erzogen werden.
Merseburg 28. Oct. 1828
Kgl. Reg. Abt. für das Kirchen und Schulwesen
Dem Wohlgeb. Herrn Landrath Lepsius
Die im hiesigen Armenhause befindliche Wittwe Frau Köttnitz leidet seit mehreren Monaten an syphilitischen Geschwüren im Halse, welche jetzt schon bedeutende Zerstörungen daselbst nach sich gezogen haben. Auf Veranlassung des Herrn Professor Schmieder zu Pforta, welcher zugleich die Kosten für die erforderliche Remedia zu tragen sich erbot, übernahm ich die Köttnitz ärztlich zu behandeln.
Allein, da zu Folge der für die Kur höchst ungünstigen Außenverhältnisse in welcher die Kranke lebt, das zum Gelingen derselben durchaus erforderliche diätetische Verhalten in keiner Art der gegebenen Verordnungen gemäß befolgt werden konnte, so ist es geschehen, daß die Köttnitz aller Mühe ungeachtet, nicht nur nicht geheilt ist, sondern daß ihr auch alle Hoffnung benommen bleibt, je wieder von dem immer mehr um sich greifenden Uebel befreyt zu werden, wenn sie nicht in Verhältnisse versetzt wird, unter welchen eine neue erforderliche … Kurmethode eingeschlagen werden kann. Da aber solche Verhältnisse für die Köttnitz nur in einer wirklichen Kranken-Anstalt eintreten können, so bin ich so frey E. Wohlgeb. hiermit ganz ergebenst anzugehen, die Aufnahme der Köttnitz in ein Lazarett wo möglich zu veranlassen, um so mehr da bey der Fahrläßigkeit der Kranken und der großen Mittheilbarkeit des Uebels dasselbe allerdings auf andere Individuen unbemerkterweise übertragen werden kann.
Koesen 21. Oct. 1828 D. Heyer
Herr Richter Hämmerling zu Kösen durch Abschrift dieses Decrets aufzufordern, die noch immer ausständigen Zeugnisse der Köttnitzschen Kinder betr. ohne längern Verzug und binnen 3 Tagen einzureichen.
Da bei der Uebereignung der Kinder in einen Erziehungshaushalt nicht nur das geistliche und leibliche Wohl der Kinder, sondern auch das Interesse der Gemeinde in Betrachtung kommt, so hätte ich erwartet, daß Herr Hämmerling aus eigenen Antriebe für die Herbeibringung des erforderlichen besorgt seyn würde.
Nbg. den 22. Nov. 1828 Lepsius
Naumburg 5. Januar 1829
An E. Kgl. Preuß. Hochlöbl. Reg.- Abt. für Kirchen und Schulwesens
Indem ich die von E. Hochlöbl. Reg. in dem neben bemerkten Rescripte wegen der Köttnitzschen Kinder erforderten Atteste hierbei ehrerbietigst überreiche, verbinde ich damit zugleich die Anzeige, daß ich den Ortsrichter Hämmerling angewiesen habe, alle mögliche Fürsorge anzuwenden, daß die Kinder gehörig untergebracht, versorgt und erzogen werden. Es wird ihm jedoch schwer werden, dieser Anweisung zu genügen, da die Zeitscheln nach dessen Anzeige, die Kinder nicht behalten will, dieselbe auch in der That keine gehörige Aufsicht über sie führen kann, weil dieselbe ihrem Verdienste nachgehen muß, ein anderes Unterkommen für sie aber schwerlich ausgemittelt ist. Aus diesem Grunde sehe ich mich genöthigt E. Hochwohlgeb. um Beschleunigung der Aufnahme dieser unglücklichen Kinder in der Waisen-Anstalt zu Langendorf gefälligst zu bitten, denn der Mutter können dieselben auf keinen Fall zurück gegeben werden, da dieselbe seit mehreren Monaten wieder an syphilitischen Geschwüren leidet, wie die beglaubigte Abschrift des Dr. Heyne zu Koesen beweist. Welcher Gefahr überhaupt die übrigen Bewohner des Armenhauses durch das Zusammenleben mit dieser Person ausgesetzt sind, ist aus dem Schluß der Anzeige zu ersehen und daher ist es dringend nöthig, daß dieselbe sobald als möglich daraus entfernt und in einem Krankenhause untergebracht und, wenn es noch möglich, geheilt werde.
Ich finde mich jedoch außer Stande der Gemeinde Koesen zur Unterbringung dieser Person in einer solchen Anstalt und auf ihre Kosten anzuhalten, da dieselbe größtentheils aus armen Einwohnern besteht und mit Armen, Kranken und Blödsinnigen schon zu sehr überhäuft und geplagt ist
Daher bleibt nichts übrig, als Hohe Behörde um die kostenfreie Unterbringung und Verpflegung der Köttnitz in einer öffentl. Kranken-Anstalt anzugehen und daher bitte ich E. Hochwohlgeb. diesen Bericht an die Hochlöbl. Abt. d. Innern gelangen zu lassen und zu vernehmen, was für die Köttnitz geschehen kann
Lepsius
An den Herrn Landrath Lepsius
Auf Ihre Anträge vom 14. Oct. v. J. und 5. d. M. geben wir Ihnen zu erkennen, daß die sofortige Aufnahme der Johanna Friederike Maria und Johanna Christiane, Geschwister Köttnitz zu Kösen in die Waisenanstalt zu Langendorf, da bei derselben für den Augenblick keine Stellen erledigt sind, so wenig der Etat, es der Raum dieses Instituts, nicht gestattet. Wir haben jedoch diese beiden Kinder zur exponirten Aufnahme in gedachte Anstalt notiren lassen und werden auf deren dasige Unterbringung bei den zunächst dort wieder entstehenden Vacanzen mit Bedacht nehmen.
Bis dahin muß aber die Gemeinde Kösen für deren Unterhalt sorgen, wozu Sie dieselbe anzuhalten haben. Auf den Antrag wegen Aufnahme der Wittwe Köttnitz in einer öffentlichen Krankenanstalt werden Sie von der Abtheilung des Innern hiesiger Kgl. Regierung beschieden werden.
Merseburg, den 21. Januar 1829
Kgl. Reg. Abtheilung für das Kirchen und Schulwesen.
An den Director und Pfarrer Hirsch zu Langendorf
E. Ehren werden aus den in Abschrift anliegenden von der Kgl. Reg. erstatteten Berichts ersehen, wie nothwendig es ist, daß die beiden jüngeren Köttnitzschen Kinder in der dasigen Anstalt sobald als möglich untergebracht werden.
Wenn nun in Verfolg des letzten Berichts mir v. Hoher Behörde eröffnet worden ist, daß gedachte Kinder auf die exponirten Liste gebracht worden sind und dieselben bei einer eintretenden Vacanz berücksichtigt werden sollen, so kann ich nicht unterlassen, wegen der Gefahr welche für die Kinder aus dem ferneren Verbleiben in der Nähe ihrer Mutter erwächst, für E- Ehren besondere Berücksichtigung dieser bedauernswürdigen Kinder in Anspruch zu nehmen, als wofür ich Demselben mich noch besonders verpflichtet fühlen würde.
Nbg. 10. Febr. 1829 Lepsius
An den Landrath Hr. Lepsius
E. Wohlgeb. theile ich auf das geehrte Schreiben unterm 10. Febr. mit, daß ich mich bei dem vor einigen Tagen sich ereigneten Todesfalle eines hiesigen Waisenmädchens um Aufnahme eines der Köttnitzschen Kinder bei der Kgl. Regierung verwandt habe. Würde es nicht zur Erreichung E. Wohlgeb. so gerechten Wunsches zweckdienlicher seyn, wenn Derselbe mit Andeutung der von mir gemachten Anzeige einer vacanten Mädchenstelle noch einmal ein kurzes Gesuch an die Kgl. Reg angehen ließen, aber bald !!.
Waisenhaus Langendorf, den 23. Febr. 1829
An den Kgl. Landrath Lepsius
Auf Ihren Antrag vom 24. v. M. haben wir den Vorsteher des Langendorfer Waisenhauses zur Aufnahme der Friederike Marie Koettnitz aus Koesen in die kürzlich dort erledigte Stelle angewiesen und überlassen Ihnen wegen Absendung dieses Mädchens nach Langendorf das weitere Erforderliche anzuordnen.
Merseburg, 3 März 1829
Kgl. Preuß. Reg.
An den Kgl. Landrath Lepsius
Auf den vom E. Wohlgeb. unter dem 15. v. M. wegen Unterbringung der Wittwe Köttnitz in einer öffentlichen Krankenanstalt gemachten Antrag, geben wir Ihnen zu erkennen, daß so wünschenswerth es auch wäre, auf diese Weise für die Kranke zu sorgen, dennoch das beschränkte Local der Zeitzer Anstalt nicht gestattet, die Aufnahme der Koettnitzen dort mit zu bewürken. E. Wohlgeb. werden bei nähere Erwägung leicht ermessen, wie bei dem ohnehin so großen Andrange zu der Landarmen-Anstalt zu Zeitz, es durchaus nothwendig ist, den Grundsatz, daß nur Landarme aufgenommen werden sollen, strenge festzuhalten, wenn wir uns anders nicht der Verlegenheit sehr bald ausgesetzt sehen sollen, wirklich dahin geeignete Arme zurückweisen zu müssen. Da die Wittwe Köttnitz nun eine Orstarme ist und als Landarme nicht angesehen werden kann, müssen wird sehr bedauern, Ihrem Wunsche nicht nachgehen zu können
Merseburg, 21. Febr. 1829 Kgl. Reg. Abth. d. Innern
9. Februar 1830: Meldung des Orstrichters zur Belegung des Armenhauses
Köttnitzen: 28 Jahre, Stand: von Haus aus arm
Lebensverhältnisse: Dieselbe hat, weil sie verheiratet war, ehelich drei Töchter, wovon 2 versorgt und gegenwärtig nur noch eine von 15 Jahren bei ihr ist, sie selbst leidet wegen schlechten Lebenswandels an gefährlichen Krankheiten
Beschäftigung: Spinnen, Nahrung: durch Spinnen und kleine Gaben anderer.
Naumburg 5ten April 1830
In Gegenwart Hr. Landrath Lepsius
Es erschienen im Landräthl. Officio der Handelsmann Hr. Andreas Meyer und dessen Ehefrau Dorothea Meyer von Zeitz und brachten an:
Wir sind kinderlos und haben uns entschlossen die 10jährige Tochter der verstorbenen Köttnitz zu Koesen, Christiane, als unser eigenes Kind anzunehmen und zu erziehen, zu kleiden, zu verpflegen und überhaupt an dem Kinde zu thun, was erforderlich ist, um dasselbe in den Stand zu setzen, demnächst für sich selbst zu sorgen. Für alle diese, dem Kinde zugedachten Wohlthaten wollen wir keine Entschädigung und Anspruch nehmen, nur die Entrichtung des Schulgeldes, so lange das Kind im schulpflichtigen Alter steht, wollen wir uns vorbehalten und dessen Entrichtung wie zeither aus öffentlichen Kassen hiermit in Antrag bringen
Das Anbringen der Meyerschen Eheleute wurde bestens acceptirt und ihnen Aufforderung an den Richter Nette zur Uebergabe des Kindes behändigt:
Handzeichen der Dorothea Meyer x x x attestiert Thränhardt
Handzeichen des Andreas Meyer x x x attestirt Thränhardt
Naumburg 26, Febr, 1831
in Gegenwart des Landraths H. Lepsius
Es erschienen im Landräthl. Officio der Handelsmann Andreas Meyer und dessen Ehefrau Dorothea Meyer aus Zeitz, welche wegen der zu sich genommenen Christiane Köttnitz von Koesen folgendes anbrachten:
Wir haben uns an das Kind gewöhnt und möchten dasselbe daher nicht gern von uns lassen. Gleichwohl sind wir nicht im Stande. dasselbe ganz unentgeldlich zu behalten, da uns zu viel bare Ausgaben für Kleidung, Schulgeld usw. für dieselbe erwachsen. Wir sind entschlossen, das gedachte Kind für ein jährl. Erziehungsgeld von 10 Thalern bei uns zu behalten und dasselbe dafür nicht nur zu verpflegen, sondern auch zu kleiden und das Schulgeld für dasselbe zu bezahlen, kurz alles zu leisten, was zu deren Verpflegung und Erziehung erforderlich ist. Wir bitten, uns diesen geringen Betrag von Ostern 1830 an, wo wir das Kind übernommen haben, zu bewilligen und hoffen um so mehr die Erfüllung unserer Bitte, da wir in dem verflossenen Zeitraume für die Bekleidung des fast nackten Kindes mehr als diesen Betrag verwendet haben.
Es wurde den Meyerschen Eheleuten unter Berücksichtigung dieser Gründe und des Umstandes das das Kind bei ihnen in guten Händen ist, das erbetene Erziehungs-Geld an zehn Thaler von Ostern 1830 ab aus der Pfortaischen Instituts-Armenkasse bewilligt, jedoch unter der ausdrücklichen Bedingung, daß sie auf alle weiteren Forderungen und Entschädigungen, insonderheit der besonderen Vergütung des Schulgeldes und der Nachzahlung des ihnen angeblich früher bewilligten Mehrbetrags verzichten.
Dieselben erklärten darauf, daß sie sich mit dem Jahresbetrage von 10 Thalern in jeder Beziehung für befriedigt erachteten und weitere Ansprüche wegen der Verpflegung Kleidung und Erziehung des gedachten Kindes sich hierdurch ausdrücklich entsagen.
Dieselben baten noch um Veranlassung der Ausfertigung des Lauf-Zeugnisses für ihren Pflegling und unterkreuzten sodann auf deutliches Vorlesen gegenwärtige Verhandlung zum Zeichen der Genehmigung.
Handzeichen der Dorothea Meyer x x x attestiert Thränhardt
Handzeichen des Andreas Meyer x x x attestirt Thränhardt
5.) Der Fall der Familie Klitzsch
An den Kgl. Landrath Herrn Lepsius
E. Wohlgeb. erlaube ich mir in Bezug des Armenhauses zu Koesen folgende Mittheilung zu machen:
In dem Armenhause zu Kösen wohnen gegenwärtig incl. Kinder 23 Personen, darunter befinden sich aber Personen oder wenigstens eine Familie von Personen, welche wohl nicht berechtigt sein dürften, noch länger in dem Armenhaus wohnen zu bleiben.
Dies ist die Familie Klitzsch, welcher Salinen-Zimmergeselle ist und füglich, Jahr um Jahr dort Arbeit erhält und wöchentlich 2 Thaler, ohne Ausnahme festen Verdienst hat. Diesen Klitzsch wurde sein in Kösen befindliches Wohnhhaus gerichtlich, schuldenhalber im vergangenen Sommer verkauft. Und da derselbe keine Wohnung bekommen konnte, zog derselbe mit 6 Kindern in das Armenhaus, unter diesen Kindern befindet sich eine Tochter von 21 und ein Sohn von 19 Jahren. Diese beiden erwachsenen Kinder suchen sich, obgleich ich den Vater und die Mutter so wie auch diese beiden jungen Leute oftmals und vielfach dazu angehalten habe, sich anderswo ein Unterkommen zu verschaffen, indem es nicht zugegeben werden könne, daß auch sie mit in dem Armenhaus wohnten. Allein trotz allen diesen, und seit einem halben Jahre vergeblichen Ermahnungen, bekümmert sich weder der Klitzsch bei seinen guten Verdienst noch die erwachsene Tochter und der Sohn um ein ferneres Unterkommen, vielmehr bleibt die Familie Klitzsch, 8 Personen stark, sorglos in dem Armenhaus nach wie vor wohnen.
Dieser Fall macht nicht allein Aufsehen im Publikum sondern die in derselben Lage stehenden noch ärmeren Familien suchen sich daher Mittel und Wege, auch recht bald in das Armenhaus einziehen zu können. da dieselben doch hier miethfrei sind.
Ich erlaube mit daher E. Wohlgeb. auf diese Familie Klitzsch aufmerksam zu machen, in dem der Aufenthalt derselben wohl in dem Armenhaus nicht länger zuläßig sein dürfte, indem dem Klitzsch von dem Verkauf des Wohnhauses noch bares Geld übrig geblieben.
Kösen, den 18. Januar 1840 Hering, Gendarm
Kösen, den 12ten Februar 1840
Vorgeladen erschienen heute vor Unterzeichneten der hiesiges Armenhaus bewohnende Zimmergeselle August Klitzsch nebst seinen bei sich habenden ältesten Tochter und Sohn, welchen insgesamt zufolge Landräthl. Verfügung vom 21. v. M. aufgegeben wurde, sich unverzüglich selbst und binnen 4 Wochen ein Unterkommen zu verschaffen, worauf ersterer das Wort nahm und wie folgt erklärte:
Nicht um der mir soeben gewordenen Aufforderung sehr gern Genüge leisten zu wollen, sondern aus schon vorherigen eigenen Antriebe habe ich mich restlos um ein eigenes Quartier beworben, allein ich kann versichern, und bezweifle dies auch für die Zukunft, weil ich außer den beiden erwachsenen noch 5 unerzogene Kinder habe, von denen 3 Mädchen fortwährend trotz allen angewandten, mir möglich gewesenen Mitteln mit Grindköpfen behaftet sind, wovon sie hauptsächlich, so wie aber auch an der Menge der Kinder und daß man mir bei meinen vorgerückten Alter um ca. 60 Jahren keine gute Kinderzucht mehr zutraut, sich jedermann stößt. Überdies bin ich sehr schwerhörig.
Was meine hier sich mit mir eingefundenen Tochter betrifft, so liegt mir sehr daran, dieselbe irgend wann unterzubringen und ich will es mir angelegen sein lassen, es nach Möglichkeit bis zu der gesetzten Frist für ein Unterkommen zu sorgen. Sie hat kein gutes Ansehen und scheint, ob gleich sie es nicht ist, an Verstande schwach zu sein und ich habe es in der That bisher nicht weiter mit ihr bringen können. Sowohl mit dieser, als mit den kleineren Kindern habe ich viel Noth und Kummer, zumahl bei den jetzigen hohen Brotpreisen.
Meinen in der Sache gleichfalls betreffenden Sohn, so zweifle ich nicht, daß derselbe sofort ein Unterkommen finden würde, allein ich muß bitten, mir denselben zu belassen, weil derselbe während ich Zug für Zug meiner Arbeit nachgehen muß, sowohl durch Herbeischaffung von Leseholz und auch mit den etwaigen Tagelohn, mir nebst der übrigen Familie forthelfen muß, bis ein anderer von meinen Kindern herangewachsen ist. Ich würde sonst das nothdürftigste Brot dessen ich zeither wöchentlich für 2 Thaler gebraucht habe, von meinen alleinigen Tagelohn kaum erschwingen können. Dazu habe ich die Absicht, wenn ich eine Stelle und noch etwas Geld von meinem mir gerichtlich verkauften Hause herausbekomme, ein kleines Haus zu erbauen, wozu eine solche hülfreiche Hand gleichfalls leisten kann.
Den. Klitzsch als Vater gedachter beiden Kinder, so wie dessen Tochter, unter eigener Angelobung der ihnen gewordenen Aufgabe nachkommen zu wollen, und der junge Klitzsch desgl. wenn der Wunsch seines Vaters nicht genehmigt wird, unterschrieben nach Vorlesung und Genehmigung das Protokoll.
Christian Klitzsch Christa Klitzsch
x x x der Klitzsch sen. kann nicht schreiben und konnte daher nur drei Kreuze machen
Nette Richter
An E. Hochwohlgeb. dem Königl. Landrath Herr Lepsius
E. Hochwohlgeb. zeige ich bei Zurückgabe verehrter Verfügung hierdurch zuförderderst ganz gehorsamst an, daß ich die Klitzsche Familie unter steter Antreibung beaufsichtigt habe. Der alte Klitzsch hat sehr guten Willen zur Arbeit, und scheint es unter seinen angegeben Umständen nicht weiter bringen zu können.
Ein wahres Üebel ist die Krankheit der bösen Köpfe einnger Kinder. Inwieweit dabei etwa eingeschritten werden kann, ist mir unbekannt. Anträge wie die des Gendarms Hering habe ich zwecklos gehalten. Ferner zeige ich hinsichtlich der übrigen Armenhausbewohner an, daß sich:
1.) die Wilhelmine Bilke sich darin befindet, welche 62 Jahre alt, dabei noch arbeitsfähig, nährt sich von Spinnen und ähnlichen Arbeiten
2.) der Handarbeiter Benjamin Becker, welcher 58 Jahre alt, nebst dessen Frau von 46 Jahren. Dieselben haben 6 Kinder, wovon das älteste noch nicht 14 Jahre und das jüngste 2 jahre alt ist. Ernähren thut sich derselbe durch Handarbeiten, scheint aber außer dem Armenhause kein Unterkommen finden zu können. Weil solcher bei seiner spärlichen Einkommen den Miethzins nicht bezahlen kann.
3.) Die Louise Köttnitz, 26 Jahre alt, welche durch früher stark behaftete Epilepsie sowohl im Geiste als Körper etwas zerrüttet ist und nährt sich durch Federschleißen u. dergl.
4.) Die Hanna Stange, welche 58 Jahre alt, hat einen Knaben von 13 Jahren, sie ist noch ganz rüstig und nährt sich von mancherlei weiblichen Arbeiten.
5.) Der frühere Corrigent Carl Zwingenberg, desgl. Ernst Köttnitz, ersterer 53 Jahre und letzterer 54 jahre alt, beide ernähren sich bis jetzt noch selbst durch Handarbeit.
Die Wittwe Fritsche, welche ebenfals Bewohnerin des Armenhauses war, ist vor kurzem in ihrem 77 Jahre mit Todte abgegangen. Deren Tochter, die Wittwe Löser hat sich nach ihrer Mutter Todte nun ein anderes Unterkommen verschafft.
Kösen, den 12ten Februar 1840 Nette Richter
An E. Königl. Wohllöbl. Landrathsamt
Auf Verfügung vom 14ten habe ich die Familie Klitzsch in dem Armenhause besucht und mich von dem Krankheitszustande der Kinder überzeugt.
Vier derselben, von welchem das älteste 11 Jahre das jüngste 4 Jahre alt ist, leiden an einem tief eingewurzelten bösartigen Kopf-Ausschlage, sogenannten Erbgrinde, welcher bei zwei von ihnen den ganzen behaarten Teil des Körpers wie eine Haube bedeckt und trocken ist, bei den andern näßt und viel Ungeziefer beherbergt. Die beiden jüngeren Kinder sehen dabei noch ziemlich wohl aus, bei den andern gibt sich Allgemeinleiden durch große Bläße und Abmagerung zu erkennen.
Das Uebel ist ohne zweifel heriditaeren Ursprungs, hat diesen Grad der Bösartigkeit erreicht und wird fortwährend genährt, durch Enge der Wohnung, durch den Genuß einer indigestiblen Kost und vernachlässigte Reinlichkeit, wobei die Mutter mit Rücksicht auf die große Zahl der Kinder und die in die Familie eingedrungenen Noth einigermaßen zu entschuldigen sein möchte.
Die Behandlung dieses Uebels ist immer und unter allen Umständen höchst langwierig, in diesem Falle aber an eine schnelle Beseitigung desselben um so weniger zu denken, weil in diätetischer Beziehung auf keine Unterstützung gerechnet werden kann. Indeß würde doch auch schon einige Besserung, welche nach Anwendung arzneilicher Mittel bald eintreten dürfte, die Beschwerde der Kinder sehr erleichtern und sie von dem Ungeziefer befreien.
Die Angabe des Klitzsch, daß ihn Niemand in sein Haus aufnehmen wollte, entbehrt bei dem wahrhaft Ekele erregenden Anblicks der Kinder keineswegs der Wahrscheinlichkeit
Kösen, den 19ten Februar 1840 Dr. Rosenberger
E Hochlöbl. Kgl. Landrathsamt
E. Hochwohlgeb. zeige ich in Betreff der in hiesigen Armenhause wohnhaft gewesenen Familie Klitzsch unter Rückgabe der deshalb mir zugefertigten verehrlichen Verfügung ganz gehorsamst an, daß der Klitzsch sogleich von mir angehalten wurde, das Armenhaus zu räumen und für seine mit dem bösen Grind behafteten Kinder das nöthige zu thun, was man ohne alles Zuthun verlangen könnte, denn mir war inzwischen bekannt geworden, daß derselbe noch einige Hundert Thaler Vermögen übrig hatte. Derselbe versicherte, auch alles mögliche zu thun und nur noch einige Zeit mit dem Auszuge aus dem Armenhause in Geduld stehen zu wollen. Worauf er seine Versicherung nach ärztlichen Mitteln anwendete. Sodann versuchte es deselbe mit einem Hausbau, als aber die Landesschule Pforte keinen Baustelle für ihn hergab, so reflectirte selbiger auf ein Haus, welches im Wege der Subhastation verkauft werden sollte, welches derselbe auch wirklich gekauft hat, und sich gegenwärtig mit seiner Familie darinnen befindet.
Kösen den 22ten November 1840 Nette Richter .
6.) Der Fall der Wilhelmine Bilke
An den Kgl. Landrath
Bei meiner heutigen Patrouille traf ich die in dem Armenhause zu Koesen wohnende Wilhelmine Bilken in Hasenhausen beim Betteln, weshalb ich dieselbe mit nach Kösen zurück nahm. Auf befragen weshalb sie die Ortschaften mit der Bettelei beunruhigte, erwiderte dieselbe, ich kann mich nicht mehr anders helfen, verhungern kann ich nicht, ich habe keinen Bissen Brodt und in Kösen gibt mir niemand etwas, überall wo ich angesprochen habe in Koesen, bin ich zurück gewiesen worden. Ich habe bereits das 61. Lebensjahr zurück gelegt und aus diesem Grunde kann ich auch keine Arbeit mehr bekommen, indem hierzu junge Leute genug vorhanden sind, auch bekomme ich gar nichts aus der Armenkasse, als freie Wohnung im Armenhause, wovon soll ich also leben.
Ich erlaube mir E. Wohlgeb. hiervon ganz gehorsamst in Kenntnis setzen, um diesen Uebelstand abzustellen.
Kösen, den 12ten März 1841 Hering Gendarm
An den Kgl. Landrath
E. Hochwohlgeb. zeige ich unter Rückgabe verehrlicher Zufertigung in betreff der hiesigen Armenhausbewohnerin Wilhelmine Bilke hierdurch ganz ergebenst an, daß ich diesen Gegenstand in der Gemeinschaft der beiden Schöppen in Berathung gezogen habe, und wir können mit Gewißheit versichern, daß die Wilhelmine Bilke gegenwärtig noch sehr rüstig ist, um sich ihren Broterwerb selbst verschaffen zu können, aus welchen Gründen wir deren Anspruch auf eine Almosenunterstützung in ihren jetzigen Zustand für unzuläßig finden. Es ist die Bilke auch schon von unserer Meinunng und außerdem aufmerksam gemacht, daß sie sich des Bettelngehens enthalten soll.
Kösen, den 25ten April 1841 Nette Richter
7.) Der Fall Hoffmann
Verehrter Herr Landrath,
ich bin die Tischler-Frau Hoffmann aus Kösen, wo der Mann schon bereits fünf und ein halbes Jahr fort ist, nach America. Mein Mann sagte zu mir, daß er einen Flachshandel anfangen wolle, worauf er sich einen Gewerbeschein für zwölf Thaler gelöst hatte, nun wollte er nach, Northeim, Hildesheim und Quedlinburg, wo er in drei Wochen wieder zurück kommen wollte. Er verließ mit mir vier unerzogenen Kinder und das fünfte war noch nicht geboren, welches aber nach drei Monaten wieder starb. Ich wußte mir nun nicht anders zu helfen und sprach den Richter Nette mehrere Male um ein Unterstützung an, da ich doch die aller Nothleidenste und Bedürftigste aus Kösen bin, ich wurde aber jedes Mal mit den Worten abgewiesen, so lange ich jung wäre, müßte ich arbeiten und ich bin doch nicht im Stande bei all meinen Fleiße meine Kinder zu ernähren. Wo ist eine Mutter im Stande für Holz, Brot und Hauszins zu sorgen, ich habe in den Jahren meinen Kindern müssen die größte Noth leiden lassen, wo ich die beiden ältesten der spärlichen Nahrung wegen öfters sehr krank gehabt habe, wo ich jetzt noch in der Apotheke über einen Thaler schuldig bin. Wenn gleich die beiden ältesten aus der Schule sein, so haben sie doch bis jetzt noch keiner Herrschaft dienen können. Wennn ich krank bin, welches öfter vorfällt, da müssen meine Kinder totale Noth leiden, ich habe alles aus meiner Wirtschaft verkaufen müssen, um nur meiner Kinder Leben zu erhalten, die beiden kleinsten habe ich auch wieder drei Wochen an den Scharlach krank, wo es mich auch wieder Geld gekostet hat. Ich habe zwar einen Fehler begangen, vor drei Jahren habe ich ein uneheliches Kind gehabt, das mir aber sogleich wieder starb, welches ich auch nicht vor dem Herrn Landrath verheimlichen will, zu welchen ich aber aus Noth komme, welches aber zu keiner Zeit wieder vorfallen wird. Bis jetzt habe ich mit noch aus der Pförtner Armenkasse etwas bekommen, nun sein wir aber auch abgewiesen worden, in der Meinung die Kösener möchten selbst für ihre Armen sorgen, nun zwingt mich doppelte Noth mich an den herrn Landrath zu wenden und dem Herrn Landrath im eine Unterstützung aus der Armenkasse zu bitten.
Fr. Hoffmann
Das Gesuch der von ihren Ehemann verlassenen Tischlerfrau Hoffmann zu Kösen, geht an den Orstrichter Hr. Nette zu Kösen mit der Veranlaßung, der Bittstellerin aus der dortigen Armenkasse eine angemessene Unterstützung zu gewähren, wobei sie natürlich das Bedürfnis der Familie ins Auge fassen sollen
Mit Anzeige binnen 8 Tagen zurück zu geben
Naumburg, d. 4ten. 2. 1845 Jacobi v. Wangelin Landrath
An das Kgl. Landrathsamt
E. Königl. Wohllöbl. Landrathsamt zeige in betreff des Gesuchs der Hoffmann. ganz gehorsamst an, daß der Bittstellerin alljährlich von Monat Octbr. bis mit Monat März wöchentlich 7 Silbergroschen, 6 Pfennig Almosen und für die dermalige Winterperiode vom 1. d. Monats bis März d. J. wöchentlich die benannten 7 Sgr. 6 Pf. bewilligt worden sind. Es dürfte dies eine angemessene Unterstützung sein, da ohnehin schon Schulgeld gedeckt und sie alle Winter mit etwas Brennholz auch wo es sonst thunlich möglichst, berücksichtigt und unterstützt wird.
Kösen, den 15. Febr. 1845 Nette Ortsrichter
8.) Der Fall Benjamin Becker
An den Königl. Landrath, Wohlgeb.zu Naumburg
Am heutigen Dato ist der hiesige Armenhausbewohner, Handarbeiter, Wittwer Benjamin Becker verstorben. Seine Habseligkeiten sind nichts werth und da er auch sonst von allen entblößt war, habe ich seit seinem ohngefähr 8tägigen Krankenlager die Medizin und einige Wartung für Rechnung der Ortsarmenkasse verabfolgen lassen. Auch habe ich bereits das nöthige vorläufig zu seiner Erledigung in der Art veranlaßt.
Der Verstorbene hat 8 Kinder und zwar 5 Töchter und 3 Söhne hinterlassen. Die älteste Tochter ist an den Bäckermeister Möhring zu Naumburg verheiratet, eine zweite von ohngefäähr 23 Jahren dient daselbsten. Sodann ein Sohn von ohngefähr 19 Jahren dient als Knecht in Pomnitz, ein zweiter Sohn von 16 Jahren hat sich hier bei Leuten eingethan und nährt sich von Handarbeiten. Ein Mädchen von 13 Jahren hat der Fleischermeister Matthes hier unentgeldlich zu sich genommen, zwei Mädchen von 12 und 9 Jahren hat der Verblichene bis jetzt bei sich gehabt, das jüngste ein Knabe von drei Jahren ist schon seit längerer Zeit durch Unterstützung einiger wohlgesinnter Geber in Ziehe untergebracht. Die zwei Mädchen von 12 und 8 Jahren anlangend so bedürfen dieselben die sofortige Unterbringung und Pflege.
Indem ich vorstehendes E. Wohlgeb. ganz gehorsamst anzeige, bitte ich ebenmäßig um geneigteste Authorisation in dieser Angelegenheit
Kösen. 28ten März 1847 Nette Ortsrichter
An den Königl. Landrath, Wohlgeb. zu Naumburg.
… beehre ich mich gleichfalls hierdurch anzuzeigen, daß der verstorbene Becker für Rechnung der Ortsarmenkasse beerdigt und zwei Kinder desselben, welche hinterblieben, nämlich Bertha 12 Jahre und Emilie 10 Jahre alt, jede 15 Thaler jährl. Ziehgeld ebenfalls für Rechnung der Armenkasse hier im Orte untergebracht worden sind, weil sich andere Gelegenheit nicht finden wollte.
Kösen, 3ten Mai 1847 Nette Ortsrichter
9.) Der Fall der Witwe Apitz
An E. Kgl. Hochwohllöbl. Regierung zu Merseburg
Unter Wiederbeilegung des Gesuchs der verwittweten Sophia Apitz zu Koesen, erlaube ich mir über deren Verhältnisse folgendes gehorsamst anzubringen:
Ihr Ehemann war Chaussee-Wärter in Koesen, litt längere Zeit an Geisteszerrüttung, welche seine Aufnahme in der Irrenanstalt zu Halle nöthig macht, in welcher er im Anfange des Jahres 1835 verstarb. Seitdem geht es der Wittwe Apitz wie allen Wittwen armer Handarbeiter, sie muß selber Hand anlegen, um ihr Brot zu verdienen. Soweit ihr 21jähriger Sohn, welcher behufs ihrer Unterstützung vom Liniendienst zurück gestellt worden ist, nicht im Stande ist, für ihre Bedürfnisse zu sorgen. Daß die Frau in sehr dürftigen Umständen lebt, ist mir bekannt und dies kann auch nicht anders sein. Da im Winter die Handarbeiter so zusammen gedrängt sind, daß ihr Verdienst sehr gering ist und mitunter die Arbeit gänzlich fehlt, da mir aber keine Bestimmung bekannt, ist welche dem Staate die Verpflichtung auferlegt, die Soldatenwittwen zu unterstützen, so wüßte ich nicht auf welche Weise der Wittwe Apitz zu helfen ist.
Naumburg, den 30ten Jan. 1837 Lepsius.
Dem Kgl. Landrathsamt
E. Wohlgeb. eröffnen wir auf Ihren vom 30ten v. M. wegen des Unterstützungsgesuchs der Wittwe Apitz hierher erstatteten Berichts wie allerdings dem Staate keine besondere Verpflichtung zu einer Unterstützung der Bittstelleriun obliegt und solche daher mit ihren desfallsigen Gesuche abzuweisen und soferne sie wirklich ohne fremde Unterstützung sich nicht zu ernähren vermag, an die betrachtenden Ortsbehörde zu verweisen ist...
Merseburg, 13ten Febr. 1837 Kgl. Regierung
Kösen, den 10ten Juli 1837
Auf Veranlassung erschien der Richter Herr Nette in meinem hiesigen Absteigequartier und gab auf Befragen über das Verhältnis der Apitz folgendes an.
Die Apitz bewohnt zugleich mit ihrem Sohn ein sehr ärmliches Quartier, bei einem gewissen Theile, und es ist nicht zu leugnen daß sie sich in sehr gedrückter Lage befinden, da sie selbst kränklich ist und schwere Arbeiten nicht verrichten, überhaupt wenig verdienen kann. Indeß ist ihr die Wohlthat zutheil geworden, daß ihr Sohn vom Liniendienst frei geblieben. Dieser ist gesund und kräftig und da er selbst nicht verheitratet ist, so kann ihm wohl zugemutet werden, seiner Mutter den nöthigen Unterhalt zu gewähren und um so mehr, da sie ihrerseits die häuslichen Verrichtungen bestreiten kann und er durch nichts behindert, seiner Nahrung nachzugehen. Dazu findet sich freilich nicht immer Gelegenheit, da bekanntlich die Bevölkerung zu Kösen größtentheils aus unbemittelten Personen besteht und davon die, die ihren Unterhalt von ihrer Hände Arbeit als gewöhnliche Tagelöhner verdienen müssen, viele sind. Der Sommer muß daher meist übertragen, und es gehört in gleichem Grade Anstrengung und Mäßigkeit dazu, um durch zu kommen.
Der Richter Herr Nette bemerkte noch, daß er den Verdienst des Apitz auf höchstens 30 Thaler jährlich anschlagen könne und dabei sei voraus zu sehen, daß wenigstens in den Sommermonaten ausreichend Gelegenheit zu Verdienst sich darbiete, wie in diesem Sommer, da mehrere Gebäude zugleich hier aufgeführt worden, der Tagelöhner verdient an den langen Tagen 6 Silbergroschen, also wöchentlich 1 Thaler 6 Silbergroschen. Im Winter fehle es ganz an Gelegenheit zum Verdienst und so weit sich einige Gelegenheit darbiete, würde es nicht über 3 Silbergroschen bezahlt, wonach sich leicht berechnen lasse, wie schwierig es sey, als Tagelöhner sich hindurch zu bringen
Vorgelesen und genehmigt
Nette Lepsius
Kösen, den 24ten Juli 1837
Auf mündliche Bestellung erschien der Tagelöhner Carl Ferdinand Apitz, welchem darüber Vorhalt geschah, daß er wie es scheine, er seiner Mutter nicht diejenige ausreichende Unterstützung gewähre, welche dieselbe von ihm als einziger Sohn erwarten könne und wozu er um so mehr verpflichtet sey, als lediglich in dieser Hinsicht, er von der Einstellung in das stehende Heer verschont geblieben. Derselbe suchte sich durch die Bemerkung zu entschuldigen, daß die Gelegenheit zum Verdienst hier nicht häufig und der Taglohn gering sey. Es wurde ihm aber bemerklich gemacht, daß andere, die auch nicht mehr verdienen und mit ihm sich im gleichen Verhältnis befinden, es doch möglich gemacht, sich mit Weib und Kindern durch zu bringen. Er werde daher seiner Mutter ausreichende Unterstützung gewähren können, da er außerdem für Niemand zu sorgen habe. Sollte die Klage und Beschwerde seiner Mutter in dieser Hinsicht fortdauern, so werde ihr zwar ein Almosen bewilligt, er aber solchen Falls ohne Anstand noch zum Militärdienst gezogen werden....
C. F. Apitz Lepsius
Kösen, den 24ten Juli 1837
Auf Bestellung erschien am heutigen Nachmittage auch die Wittwe Apitz, welcher vorgehalten wurde, daß sie sich in einer Lage befindet, in welcher sie auf Unterstützung aus öffentlichen Kassen noch nicht den geringsten Anspruch habe.
In einem Alter von 52 Jahren und wie es scheine, noch bei Kräften, um jede Art von Arbeit verrichten zu können, müsse sie selbst Hand anlegen. Da nun überdies ihr Sohn nicht zum Liniendienst eingestellt worden sey, um ihr die nöthige Unterstützung zu gewähren, so sey alles geschehen, worauf sie gerechten und billigen Anspruch machen könne. Sollte aber dieser vielleicht nicht seine Schuldigkeit thun, so möge sie sich nur darüber äußern. In diesen Fall werde derselbe ohne Verzug zum Liniendienst eingestellt, dagegen aber darauf Bedacht genommen werden, ihr nach genauer Ermittlung ihres Bedürfniusses eine ausreichende Unterstützung aus der Armenkasse anzuweisen, da ein Anspruch an die Staatskasse nicht begründet sey.
Dieselbe ließ sich hierauf vernehmen, wie folgt.
Ich kann zwar nicht in Abrede stellen daß ich noch arbeitsfähig bin, auch lasse ich es nicht an mir fehlen, soweit sich dazu im hiesigen Orte Gelegenheit darbietet. Außer den Sommermonaten bietet sich aber zum Verdienst durch Handarbeit wenig Gelegenheit dar. Im Winter beschränkt sich der Verdienst auf Spinnen und Stricken, womit das tägliche Brot nicht verdient wird.
Mein Sohn läßt auch nicht an sich fehlen, er auch mäßig und zurück gezogen, der Verdienst ist aber gering und beschränkt sich auf die Sommermonate. Er ist auch öfters krank gewesen und man kann nicht wissen, wie die Fälle weiter kommen, auch meine Gesundheit ist lange nicht mehr stark, schwere Arbeit kann ich nicht verrichten, darüber bin ich durch mein schweres Gehör behindert, alles zu unternehmen.
Derselben wurde hierauf eröffnet, daß solange die Verhältniße bleiben, wie sie sind, sie selbst noch fortkomme und durch ihre Hände Arbeit sich einen Theil ihrer Lebensbedürfnisse verdient, auch ihr Sohn gesund und fähig ist, sich und sie durch seiner Hände Arbeit zu ernähren, welches um so mehr von ihm erwartet werden kann, als er außer ihr niemand zu versorgen hat, ein Anspruch auf Unterstützung aus öffentlichen Kassen nicht begründet sei.
Auf Befragen, wer ihr die bey der Kgl. Regierung eingereichte Schrift gefertigt habe, nannte dieselbe einen gewissen ….aus Naumburg als Concipianten, dem sie dafür 4 Groschen bezahlt habe.
Schließlich zeigt dieselbe auf Befragen noch an, daß sie nebst ihrem Sohn jetzt bei dem Salzsieder Streuber wohne, der Quartierzins sey zwar noch nicht festgestellt, weil sie das vermiethete Lokal erst selbst in Ordnung bringen müssen, sie glaube aber, daß sie unter 10 Thaler jährlich Miethzins nicht wegkommen werden.
Vorgelesen genehmigt und vom Comperanten da sie nicht schreiben zu könne versichert mit kreutzen versehen
x x x attestirt Eduard Fischer Lepsius
Kösen 11ten Febr. 1840
Eine ganz gehorsamste Bitte an Sie, gnädigster Herr Landrath, sie werden mir unterthänigst verzeihen, daß ich mir wage, Sie meine traurige Lage an den Sinn zu legen, da mir es doch so traurig geht, weil mein Sohn und Schwieger-Tochter mich ...mißhandeln auf ganz schlechte Art und Weise. So bitte ich Sie ganz untherthänigst, mein gütigster Herr Landrath, mir meinen wöchentlichen Unterhalt zukommen zu lassen, da ich …. keinen Lebensunterhalt habe, sonst muß ich mein täglich Brot vor den Thüren suchen, sonst muß ich verhunger. Ich habe mir sonst vorgenommen mich ganz von ihn zu wenden, denn er droht mir sogar mich todt zu schlagen....
Sophia Apitz
An den Kgl. Landrath Wohlgeb.
E. Wohlgeb. zeige ich betreff des Gesuchs der Wittwe Apitz hierselbst, hierdurch ganz gehorsamst an.
Die Bittstellerin Wittwe Apitz ist eben diese, welche ihren Sohn von der Einstellung ins Militär um ihn fort zu helfen, reclamirte. Derselbe hat sich vor Kurzem mit seiner Mutter Bewilligung verheiratet und seitdem mag wahrscheinlich unter diesen Leuten keine Verträglichkeit mehr herrschen. Muthmaßlich scheint jedoch diese p. Apitz von allen und jeden Pfuhl nicht frei zu sein und darauf hinzu arbeiten, mit Empfang von Almosen im Armenhause untergebracht zu werden welchen Wunsch sie schon längst an den Tag gegeben, wobei sie nach ihrer Art ein bequemes Leben führen könnte.. Dieselbe ist auch ziemlich bey Kräften und man bemerkt, daß sie täglich ihrer Nahrung nachgeht, dazu kommt, daß ihr Sohn, wenn er Lust zu Arbeit hat noch gar keine Nothdurft und wenn nicht der vorgebliche Umstand, daß ihr mit Totschlagen gedroht wurde, berücksichtigt werden muß, so dürfte sie sich recht gut mit ihren übrigen Verhältnissen begnügen können indem es sonsten dergleichen Personen noch viel mehr geben, welche in hiesigen Orte diesen Anspruch zu machen hätten.
Kösen, den 25ten Febr. 1840 Nette, Richter
Naumburg 12ten März 1840
Es erschien im Landraths-Officio der Handarbeiter Carl Ferdinand Apitz aus Koesen, welcher auf Vorhalt folgendes erklärte:
Ich stelle in Abrede, daß ich meine Mutter Noth leiden lasse, sie ist an unserm Tische und es wird ihr von unserer Wohnung nichts vorenthalten. Sie will sich aber nicht immer mit unserer Kost, welche allerding nach meinem Verdienst eingerichtet werden muß, begnügen und in diesen Fällen konnte ich derselben nur überlassen, für sich zu essen. Ueberhaupt ist meine Mutter sehr unverträglich und schimpft meine Frau auf eine erzürnenden Weise, daß ich in diesen Fällen mich meiner Frau annehme...Daß ich verpflichtet bin, meine Mutter zu unterhalten, weiß ich und ich werde meine Verpflichtung hierunter nicht verabsäumen
Carl Ferdinand Apitz
10).Verschiedene Bittgesuche
Ganz gehorsamste Bitte
Ich der Einwohner Paul stehe bereits in meinen 76 Jahre, kann schon lange Zeit fast gar keine Arbeit, wovon ich leben könnte, wegen Altersschewäche mehr machen und lebe in fast dürftigsten Umständen, obgleich ich mich mehrere Male an den Ortsvorstand wegen Almosen wendete, so bin ich mit der Antwort abgewiesen worden, daß ich bei meine verheirateten Kindern gehen könnte. Ich muß bemerken, daß meine Kinder selbst in dürftigen Umständen leben, und wenn ich dann und wann einmal etwas zu Essen bekomme, dieses immer eine ungewisse Sache ist.
Schon früher wurde mir der hiesige Nachtwächter Posten überwiesen, wovon ich einigermaßen mein nothdürftiges Auskommen hatte, aber fast zu der Zeit, wo hier ein neuer Richter eingesetzt wurde, ist mir derselbe wieder genommen worden und habe meine bisherige Existenz nur durch Tagelohn-Arbeiten auf hiesiger Kgl. Saline finden können. Da aber sämtliche Arbeiter abgelohnt und überhaupt die Arbeit sehr eingeschränkt und so viele junge Leute nicht allemal Arbeit bekommen können, geschweige so bejahrte wie ich, so gehe ich fast den Hungertod entgegen.
Kösen, den 5ten Nov. 1859 Paul
E. Hochwohlgeb.
Erlaube ich mir nachflolgenden unterthänigste Bitte zu thun. Da ich Unterzeichneter jetzt 76 Jahre alt, bereits 50 Jahre auf hiesiger Kgl. Saline als Zimmergesell gearbeitet und auch 50 Jahre in hiesigen Armenkasse gesteuert habe, aber nun durch Eingehen der Saline, meinen ganzen Nahrungszweig verloren und auch mein ganzer kranker und altersschwacher Körper nichts mehr leisten kann, daß mich mein Sohn schon über 2 Jahre aus seinen Mitteln erhalten, welcher auch nichts weiter besitzt, als was er als Schneidermeister mit seiner Hand verdient und auch schon Frau und Kinder zu erhalten hat, so sehe ich mich nothgedrungen bei dem hiesigen Ortsrichter Herrn Schleicher, so wie bei dem Armen-Bezirks-Vorsteher Herrn Gause um Unterstützung aus hiesiger Armenkasse zu bitten. Da aber schon ein Jahr verflossen und ich auf meine benannte Bitte weder Antwort noch sonst etwas erhalten habe, so sehe ich mich zum zweitenmal genöthigt an E. Hochwohlgeb. die unterthänigste Bitte zu thun, mir doch zur Erfüllung meines Gesuchs behülflich zu sein...
Kösen, den 2ten Sept. 1860 Heinrich Berg
An den Kgl. Hochlöbl. Landrath beehre ich mich ganz gehorsamst, folgenden Fall zur geneigten Entscheidung anzuzeigen:
Am 27ten Januar 1857 wurde ich zu dem Handarbeiter Sieber hierselbst gerufen, dem durch einen auffallenden eichenen Balken der Unterschenkel zerschmettert war, als ich pflichtmäßig mit der ersten Hülfeleistung, Entkleidung und Lagerung des Verletzten und dem Versuche, die sehr beträchtliche Blutung zu stillen, beschäftigt war, erschien der ebenfalls herbeigerufen Herr Dr, Groddeck und forderte mich auf, bei der weiteren, voraussichtlich sehr lange dauernden Behandlung, die er im Verein mit den Herrn Dr. Zimmermann aus Pforta vornahm, die erforderliche Assistenz zu leisten. Die Verheilung des sehr complizirten Knochenbruches erfolgte erst im April, die Nachbehandlung dauerte bis in den July. Ich berufe mich auf das Zeugnis der die Behandlung leitenden Ärzte, daß ich meiner Pflicht stets auf das eifrigste nachgekommen bin. Als ich im Januar des folgenden Jahres meine Liquidation bei der Armen-Commission einreichte, war man über die Verpflichtung zur Zahlung getheilter Ansicht, und es wurde mir von dem Herrn Ortsrichter Schleicher eröffnet, daß ich auf Grund einer Verfügung, ich glaube aus dem Jahr 1808 herrührend, eine Aufforderung zur Hülfeleistung hätte abwarrten müssen, und da eine solche nicht erfolgt sei, noch auf eine Remuneration um so weniger Anspruch habe, als der Dr. Groddeck nicht der Armenarzt sei, sondern Herr Dr. Rosenberger, und die Aufforderung des ersteren also für mich in diesem Falle nicht verbindlich sei.
Die angezogene Verfügung war mir nicht bekannt und muß ich bezweifeln, daß dieselbe noch in Wirksamkeit ist, da in der mir übergebenen Instruction auf die ich verpflichtet bin, nicht nur keine Ausnahme gefunden, sondern derselben auch geradezu widerspricht. Diese Instruction verpflichtet mich, auf Aufforderung eines Leidenden oder einem Arzt, dem erstern die in einem Wirkungskreis fallende Hülfe, dem letztern die verlangte Assistenz zu leisten. Daß es hierzu einer Aufforderung von besonders qualifizirten Personen bedürfe, die in dem vorliegenden Falle nicht hätte abgewartet werden können, ist mir unbekannt. Ebenso habe ich nicht gewußt, daß der Hr. Dr. Rosenberger ausschließlich Armenarzt und der Herr Dr. Groddeck zur Behandlung armer Kranker nicht befugt sei: eine desfallsige Bekanntmachung oder specielle Instruction an mich ist nicht erlassen worden, und konnte ich mir also nur aus äußern Wahrnehmungen ein Urtheil hierüber bilden. Beide Herrn Ärzte behandeln Arme, wie ich wußte, beider Rezepte wurden in der Apotheke unweigerlich angefertigt und der Betrag, was auch in diesem Falle geschehen ist, von der Armencommission bezahlt. Keiner von beiden erhält ein festes Gehalt als angestellter Armenarzt und aus dem Umstande, daß der Hr. Dr. Rosenberger geglegentlich Liquidationen für die einzelnen Besuche einschickte und bezahlt erhält, der Herr Dr. Groddeck seine Hülfe unentgeldlich leistete, konnte ich nur einen Unterschied der Ansichten der beiden Herrn, nicht aber einen fachlichen herleiten, am wenigsten aber mir die Ueberzeugung bilden daß der erstere der angestellte Armenarzt sei, da es Vorschrift ist, daß die Gemeinde dem Armenarzt eine feste Remunration geben, und ihn aus Ersparungsgründen nicht nur einzelne Besuche honorire. Aus diesem Grunde, so wie aus dem Umstande, daß erst nach Einreichung meiner Liquidation Herr Dr. Rosenberger gegen festes Gehalt zum Armenarzt gewählt worden ist, was unnöthig gewesen, wenn es bereits gewesen wäre, schließe ich, daß zur Zeit des fraglichen Falls, beide Herrn Ärzte zur Armenpraxis berechtigt gewesen und dieselbe beide nur in verschiedenen Weise geübt haben.
Da ich nicht in der Lage bin den wohhlverdienten Betrag meiner angestrengten Bemühungen fallen zu lassen, der Sieber notorisch zur Zahlung desselben unfähig ist, so ersuche ich E. Kgl. Hochwohllöbl. Landrathsamt gehorsamst, die Gemeinde, respective Armencommission zu Koesen geneigtest veranlassen zu wollen, die eingereichte Liquidation nunmehr zu honoriren
Kösen, den 8ten November 1860 F. Haacke Heilgehilfe